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„XX“ – eine feminine Horror-Anthologie

Filmplakat (Ausschnitt) Filmplakat (Ausschnitt)

Roxanne Benjamin, Annie Clark, Karyn Kusama und Jovanka Vuckovic liefern mit XX vier Perspektiven auf das Horrorgenre.

In vier unabhängigen Episoden werden unterschiedliche Formen von Horror gezeigt. Das Marketing setzt darauf, dass die Filme von vier Regisseurinnen gemacht worden sind. Da das Horrorgenre primär von männlichen Filmemachern bestimmt wird, erscheint dieser Ansatz so, also ob die Filmemacherinnen das Establishment aufrütteln möchten. Zumindest wird XX auch so beworben, dass diese Anthologie eine weibliche Horrorperspektive einnimmt. Es ist interessant zu sehen, wie die Regisseurinnen Perspektive und Story Arc ihrer Beiträge wählen. Herausgekommen ist ein interessanter Film, der oftmals Konflikte von Frauen mit ihren Mitmenschen thematisiert. Das allein macht XX allerdings noch nicht feminin. Es ist primär die emotionale Seite der Figuren, die einen spürbaren Unterschied zu anderen Werken deutlich macht. Obwohl die Frage erlaubt sein muss, ob es zielführend sein kann, einen Film zwischen den Vorurteilen von Mann und Frau zu positionieren, wenn diese im Werk selbst kaum relevant erscheinen. XX funktioniert als Film insgesamt, aber ohne einen übergeordneten Zusammenhang zu schaffen. Bei Anthologien sind oftmals Abschnitte enthalten, die nicht funktionieren, was potenzielle Kunden abschreckt. In XX sind jedoch alle Passagen gelungen, auch wenn kein stimmiges Gesamtwerk entsteht.

XX 3Gerahmt werden die vier Episoden von einer Stop-Motion-Animation, die eine lebendiges Puppenhaus und viele darin manifestierte Schrecken zeigt. Das ist befremdlich und dadurch gelungen. Das erste Segment ist The Box von Jovanka Vuckovic. Die narrative Vorlage stammt von Jack Ketchum (The Woman). In dieser Geschichte blickt ein Junge in ein Weihnachtsgeschenk und will fortan nicht mehr essen. Wie von einem Virus infiziert, beginnt der Junge zu verfallen, da er einfach keinen Hunger mehr hat.

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The Birthday Party wurde von Annie Clark inszeniert, die als Musikerin unter ihrem Künstlernamen St. Vincent besser bekannt ist. Der Film ist eine ans Komische grenzende Tragödie über eine Frau, die am Geburtstag ihrer Tochter mit der Leiche ihres Mannes beschäftigt ist. Roxanne Benjamin hat schon an mehreren Horror-Anthologien mitgewirkt (V/H/S, S-V/H/S, Southbound), ist in Don’t Fall allerdings erst zum zweiten Mal als Regisseurin tätig. In ihrem Segment findet sich eine Gruppe Camper auf einem Ausflug mit einer urzeitlichen Bedrohung konfrontiert, die von einer Frau Besitz ergreift. Von anfänglicher Heiterkeit schlägt der Film in einen sehr schnell erzählten Slasher um. Das letzte Segment ist XX 1von Karyn Kusama geschrieben und inszeniert worden, die zuletzt mit The Invitation für Furore sorgte. Mit ihrer Erfahrung und dem Gespür für zwischenmenschliche Konflikte gelingt es ihr, in Her Only Living Son einen intensiven und figurenzentrischen Horrorfilm zu schaffen. Der primäre Konflikt findet hier zwischen Mutter und Sohn statt. Wohldosierte Ausflüge ins Eklige steigern die Wirkung dieser Episode.

XX unterscheidet sich zudem dadurch von anderen Horrorfilm-Anthologien, dass die Produktionsqualität durchweg sehr gut ist. Keiner der Beiträge hat eine Low- oder gar No-Budget-Optik. Mit guten Darstellern besetzt und von Regisseurinnen inszeniert, die eindrucksvoll zeigen, was Horror für sie ausmacht, ist XX mehr als ein gewöhnlicher Horrorfilm.

 Trailer XX

Infokasten

„XX“

Regie: Roxanne Benjamin, Annie Clark, Karyn Kusma und Jovanka Vuckovic

Produzent: Magnet Films, XYZ Films

Laufzeit: 81 Minuten

Verleih: Koch Media

Kanada | USA 2017

Ab 26.05.2017 im Handel auf DVD, Blu-ray und Video on Demand (VoD) sowie Verfügbar bei Netflix.

Letzte Änderung amFreitag, 18 August 2017 22:18
Thomas Heuer

Dr. phil. Medienwissenschaft

Forscher, Fotograf, Filmemacher, Journalist, Gamer

Forschungsfelder: Immersionsmedien, Horror, vergleichende Mediendramaturgien, Game Studies, Medienethik und -philosophie

Abschlüsse: Medienwissenschaft M. A., Multimedia Production B. A., Facharbeiter Kommunikationselektronik

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