Der Zombie als Element der Phantastik: „Les Affamés“
- geschrieben von Thomas Heuer
- Publiziert in Film
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Kunstvoll und blutig bietet dieser kanadische Film einen erfrischenden neuen Ansatz für Zombiefilme, der mit authentischen, vielschichtigen Figuren überzeugt.
Rezension
So ruhig und verträumt die Landschaft anmutet, die Idylle der Kleinstädte unterstreichen dieses Gefühl von Ruhe und Entspannung, so stark wirkt der Kontrast, als ein älterer Mann in einem Wald von einigen blutrünstigen Leichen verfolgt wird. Die nächste Momentaufnahme zeigt einen Jugendlichen, der unlängst seine Familie beerdigt hat und nun mit einem Gewehr allein durch die Lande zieht. Andernorts hält eine Frau in einem Auto an, öffnet die Fahrertür und dreht die Musik auf. Dieses Manöver lockt einen schlurfenden Zombie an, den die Frau mit viel Kraft enthauptet. Dies sind lediglich einige der Ausgangslagen jener Figuren, entlang derer die Apokalypse miterlebt wird.
Aus Kanada kommt der Beweis, dass Zombiefilme noch immer etwas Neues bieten können. In diesem Weltuntergangszenario dürfen Zuschauende zunächst vier unterschiedlichen Erzählsträngen folgen, die nach und nach aufeinandertreffen. Dabei repräsentieren die Figuren nicht einfach gängige Stereotypen, sondern teilen jeweils die Lasten der Apokalypse. Doch die Zombies sind in der Überzahl, was den verbliebenen Menschen das Überleben schwermacht. Zwischen den Figuren bestehen und offenbaren sich nach und nach Verstrickungen. Einige neue Bündnisse und Zweckgemeinschaften bilden sich, nur um wieder zu zerbrechen. Dazwischen suchen insgesamt acht Personen ihren Weg durch die Schrecken. Jeder von ihnen hat seine eigenen Geheimnisse und Gräueltaten begangen.
Nicht nur die Figurenkonstellation ist besonders in Les Affamés – was soviel bedeutet wie die Verhungernden. Auch die Art, wie die Zombies inszeniert werden und agieren, ist eine besondere. Diese scheinen zunächst einfache hirnlose Jäger zu sein, die sich dann über den Verlauf des Films jedoch als eine Art Schwarm entpuppen. Für die Menschen scheint in dieser Welt zunehmend kein Platz mehr zu sein. Dabei werden philosophische Themen angeschnitten und angenehm thematisiert. Zudem wählt der Film einen phantastischeren Ansatz, als es in anderen Zombiefilmen der Fall ist, was besonders in der letzten Szene des Films – nach dem Abspann – deutlich wird.
Les Affamés erinnert an charaktergetriebene Zombiefilme wie The Battery, Here Alone oder auch Night of the Living Dead. Es handelt sich hierbei um einen anspruchsvollen Zombiefilm, der das Genre vor dem Hintergrund der Apokalypse erfrischend neu angeht. Dies gelingt vor allem durch die authentischen Figuren und der besonderen Entwicklung der Zombies in diesem Werk.
Trailer Les Affamés
Infokasten
„Les Affamés“
Regie: Robin Aubert
Drehbuch: Robin Aubert
Produktion: Stéphanie Morissette
Verleih: Derzeit kein deutscher Verleih
Laufzeit: 96 Minuten (uncut)
Kanada | 2017
Thomas Heuer
Dr. phil. Medienwissenschaft
Forscher, Fotograf, Filmemacher, Journalist, Gamer
Forschungsfelder: Immersionsmedien, Horror, vergleichende Mediendramaturgien, Game Studies, Medienethik und -philosophie
Abschlüsse: Medienwissenschaft M. A., Multimedia Production B. A., Facharbeiter Kommunikationselektronik