29. Schocktober: „Girls Agains Boys“ (2012)
- geschrieben von Thomas Heuer
- Publiziert in Film
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Dieser Film erzählt die Geschichte von zwei Frauen, die sich radikal emanzipieren, nachdem eine von ihnen vergewaltigt wurde. Rape-Revenge mal anders.
Rezension
Der Titel ist Programm. Allerdings nicht zu Beginn des Films. Zunächst wiederfährt der jungen Studentin Shae (Danielle Panabaker) so einiges Schlimmes. Ihr Partner verlässt sie wegen seiner Familie. Dieser hat jedoch zuvor lediglich erwähnt, dass er in Trennung lebt und nichts von seiner dreijährigen Tochter. Shaes Herz ist gebrochen, sie leidet spürbar und das Leben scheint nichts Gutes mehr zu liefern. Nachdem Shae am selben Abend ihre Schicht als Bardame beendet hat, trifft sie im Umkleideraum auf die selbstbewusste und sympathische Lulu (Nicole LaLiberte). Gemeinsam ziehen die beiden um die Häuser, tanzen, trinken und lernen ein paar Jungs kennen. Nach einer durchfeierten Nacht wird Shae von einem dieser jungen Männer nach Hause begleitet. Dieser verlangt von Shae eine körperliche Gegenleistung für seine Freundlichkeit. Als diese sich weigert, greift er sie an und vergewaltigt sie.
Weniger brutal inszeniert, als man es von anderen Rape-Revenge-Filmen kennt, liefert Girls Against Boys jedoch eine nicht weniger beklemmende Atmosphäre. Hilflos muss Shae mit der grausamen Tat umgehen: ihre Mutter ist zu beschäftigt, um mit Shae sprechen zu können und ihr ehemaliger Partner versucht die Situation auszunutzen, um noch mal eine Break-up-Nummer mit Shae zu schieben. In ihrer Not wendet sich Shae an Lulu, die ihren eigenen Weg gefunden hat, um mit Männern umzugehen. Nachdem die Polizei sich ebenfalls nicht für das Verbrechen an Shae zu interessieren scheint, brechen Lu und Shae gemeinsam zu einer brachialen Rache auf.
Weder der Akt der Vergewaltigung noch die Rache werden optisch ausführlich dargeboten. Das unterscheidet Girls Against Boys von anderen Rape-Revenge-Inszenierungen. Zudem sind nicht nur die Täter, sondern alle Männer potenzielle Ziele der beiden. Regisseur Austin Chick wagt hier zusätzlich einen riskanten Schritt, der Genrefans schrecken könnte: Er stellt die charakterlichen Veränderungen ins Zentrum des Films. Zwischen Shae und Lu entsteht eine besondere Beziehung. Hinrichtungen sind zum Teil fast ein Spiel, über die begangenen Bluttaten unterhält man sich beim gemeinsamen Mittagessen in einem Diner und überhaupt stimmt die Chemie zwischen den beiden. Wie die Handlung sich entwickelt, weiß zu überraschen. Wer einen Wechsel der Story-Paradigmen mag, wird sich freuen. Wer mit sowas dagegen nichts anfangen kann, wird sich vermutlich nicht mit diesem Film anfreunden können.
Girls Against Boys liefert einen gelungenen Spagat zwischen Rape-Revenge, Beziehungsfilm und einer Charakterreise des Erwachsenwerdens. Das liegt vornehmlich daran, dass der Film auf verschiedene Arten gelesen werden kann. Sei es als klassische Rachegeschichte, dann verliert das Ende des Filmes - oder besser gesagt, das was nach Rape und Revenge folgt – das genrespezifische Ziel vollkommen aus den Augen und wirkt platt und aufgesetzt. Legt man allerdings Maßstäbe einer Charakterentwicklung in den Protagonistinnen zugrunde, deutet sich der Film anders und erinnert schon beinahe ein wenig an Black Swan.
Die Darstellerinnen und Darsteller in diesem Film spielen durchweg glaubwürdig und überzeugend. Wer bei Girls Agains Boys eine hemmungslose Gewaltorgie erwartet, wie es beispielsweise I Spit on Your Grave (egal in welcher Version) liefert, wird enttäuscht werden. Die mäßig positiven Reaktionen auf den Film lassen einmal mehr den Schluss zu, dass Girls Against Boys nicht die Erwartungen seines Publikums erfüllt. Mich hat dieser ungewöhnlichere Ansatz positiv überrascht, wodurch Girls Against Boys einen guten Eindruck hinterlassen hat. Denn in diesem Fall wird Rape-Revenge in einer angemessenen Art und Weise gezeigt, um eine beklemmende Atmosphäre aufzubauen. Dabei wird bewusst auf ausschweifend explizite Szenen verzichtet. Aus diesem Grund könnte man augenzwinkernd sagen: „Girls Against Boys – ein Rape-Revenge-Film für die ganze Familie.“ Der Film hätte deutlich brutaler vorgehen können und an einigen Stellen vielleicht auch müssen. Die Heftigkeit entsteht in diesem Film allerdings durch andere und zum Teil überraschende Elemente, die hier nicht verraten werden sollen.
Trailer zu Girls Against Boys
Infokasten
„Girls Against Boys“
Regie: Austin Chick
Drehbuch: Austin Chick
Produktion: Floren Shieh Productions
Verleih: Capelight Pictures
Laufzeit: 93 Minuten (uncut)
USA | 2012
Veröffentlichung: Der Film ist auf DVD, Blu-ray-Disc und als Video-on-Demand im Handel erhältlich.
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Thomas Heuer
Dr. phil. Medienwissenschaft
Forscher, Fotograf, Filmemacher, Journalist, Gamer
Forschungsfelder: Immersionsmedien, Horror, vergleichende Mediendramaturgien, Game Studies, Medienethik und -philosophie
Abschlüsse: Medienwissenschaft M. A., Multimedia Production B. A., Facharbeiter Kommunikationselektronik