„Kandisha“ – Slasher in den Pariser Banlieues
- geschrieben von André Vollmer
- Publiziert in Film
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Alexandre Bustillo und Julien Maury inszenieren den Slasher vor neuer Kulisse und mit unverbrauchten Mythen, verpassen aber das Genre selbst zu aktualisieren.
Kurzrezension
Sommerferien in den Pariser Banlieues. Nichts geht, also hängen die drei Teenagerinnen Amélie, Bintou und Morjana (Mathilde Lamusse, Suzy Bemba, Samarcande Saadi) zusammen ab. Sie chillen auf den Dächern der Plattenbauten, stromern abends in der Nachbarschaft umher, hören Musik und sprühen Graffitis an die Wände eines wegen Einsturzgefahr abgesperrten Hochhauses. Hier erzählen sie sich nachts Gruselgeschichten, unter anderem die marokkanische Legende von Aisha Quandisha, die je nach Überlieferung ein Dschinn, Dämon oder Rachegeist ist, der Männer tötet. Eigentlich glaubt Amélie nicht an sowas. Doch als der Teenagerin ihr Ex auflauert und sie verprügelt, tickt sie aus und beschwört in ihrer Wut ein männermordendes Ungeheuer.
Kandisha beginnt stimmungsvoll, investiert viel Zeit und Details in glaubhafte, hochaktuelle Protagonistinnen, verflacht jedoch im Verlauf zu einem plumpen Slasher, der brutale Kills aneinanderreiht, bis es absurd wird. Das ist unglaublich schade, da die Autoren und Regisseure Alexandre Bustillo und Julien Maury bereits hervorragende Horrorfilme wie Inside (2007), Livide (2011) und Among the Living (2014) abgeliefert haben. Auch in Kandisha steckt viel Potenzial. Das Setting in den Pariser Banlieues, die jugendlichen Figuren dort, vorwiegend People of Color, der islamische Exorzismus, der Einbezug einer marokkanischen Legende, umgesetzt als männerhassender Rachegeist, in manchen Szenen verführerisch und monströs mit Schleier und Kamelhufen, in anderen mit schwarzer Burka dahinhuschend wie ein Gespenst – all dies ist großartig. Doch statt der Rachedämonin eine fesselnde Persönlichkeit zu verleihen, bleibt sie ein stereotypes Monstrum, das rastlos tötet. Aisha Quandisha ist eher eine Naturgewalt als eine Person, für die man sich interessiert. Dementsprechend wirken die Kills beliebig und der Plot leidet unter Logiklücken. Hier hätten Bustillo und Maury gewissenhafter vorgehen können.
Damit verbleibt Kandisha ein Slasher der alten Schule mit enorm hohem Bodycount, der sich allerdings an ein neues, junges Publikum richtet, dessen Lebensumwelt und Kultur dieser Film reichhaltig inszeniert. Der Film zeigt, ähnlich wie seinerzeit Attack the Block (2011), ein ganz anderes Figurenensemble als der übliche Genrefilm, was nicht nur erfrischt und dem Zeitgeist entspricht, sondern auch politisch wichtig ist.
Infokasten
„Kandisha“
Regie: Alexandre Bustillo, Julien Maury
Drehbuch: Alexandre Bustillo, Julien Maury
Laufzeit: 85 Minuten
Produzent: Delphine Clot
Verleih: Tiberius Film
Frankreich | 2020
Veröffentlichung: Für Deutschland unklar zum Zeitpunkt der Rezension.
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André Vollmer
Schriftsteller. Forscher. Phantast. Am Meer geboren. Gründer von Mellowdramatix.