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Fantasy Filmfest 2011, Tag 8

Festivalplakat (Ausschnitt) Rosebud Entertainment Festivalplakat (Ausschnitt)

Endzeit-Horror plus lustige "Mary Poppins"-Perversion:

The Divide und Hesher

Außerdem: Kill List, The Prey, The Mortician 3D und Deadheads

Der vorletzte Tag eines großartigen Festivals liegt hinter uns. Mit The Divide und Hesher haben wir heute zwei Filme im Angebot, die aus einem herausragenden Tag gewählt werden mussten. Bevor wir uns den beiden Filmen zuwenden jedoch ein kurzer Blick auf die weiteren Filme des Tages: Kill List, The Prey, The Mortician 3D und Deadheads.

Kill List ist ein ungewöhnlicher Killer-Film, entwirft er doch erstmal eine Art Milieustudie und zeichnet eine kaputte Ehe, um dann auf dieser Basis das Szenario zu entfalten: Seit acht Monaten hat Jay nicht mehr gearbeitet, er leidet unter der psychischen Belastung seines „Jobs“ als Profi-Killer - doch verständlicherweise kann er mit keinem Arzt offen darüber sprechen. Seiner Familie geht derweil das Geld aus, es gibt Streit mit seiner Frau Shel. Jay muss wieder ran, mit seinem Kumpel Sam Menschen verschwinden lassen. Kill List lebt von seiner glaubhaften Inszenierung: Keiner der beiden Protagonisten ist eine Tötungsmaschine ohne soziale Bindungen wie etwa der glatzköpfige Killer aus Hitman - Jeder stirbt allein, auch wenn die Zwei routiniert und fachmännisch vorzugehen wissen. Beide Charaktere stehen mitten im Leben, wirken nach außen wie Durchschnittsbürger und haben auch dieselben Durchschnittssorgen, leicht dickbäuchig und alternd schauen sie aus. Als Jay und Sam aber beginnen, für ihren subtil-schrägen, weißhaarigen Auftraggeber die Kill List abzuarbeiten, verliert Jay die Nerven. Zuletzt kippt das Glaubhafte der Handlung ziemlich abrupt ins Mysteriöse und steigert sich bis zum blanken Horror. Sehr unerwartet und spannend, szenenweise sehr brutal.

Dass die Franzosen gute Filme machen, wurde bis hierher an fast jedem Festivaltag bewiesen, den besten des Festivals haben wir uns jedoch erst in der Wiederholung angesehen. Mit The Prey gibt es einen kompromisslosen Thriller. Die Geschichte handelt von Bankräuber Franck Adrien (Albert Dupontel), der dabei ist seine Strafe abzusitzen. Sein Zellengenosse ist der vermeintliche Pädophile Jean-Louis Maurel (Stéphane Debac). Als dieser in einer Nacht von mehreren Eindringlingen in der Zelle beinahe umgebracht wird, geht Franck dazwischen. Die Zeit vergeht und Jean-Louis kommt frei, da ihm keine Schuld nachgewiesen werden kann. Franck vertraut ihm und bittet ihn, eine Botschaft an seine Frau und Tochter zu überbringen. Plötzlich verändern sich die Vorzeichen und Franks Familie ist bedroht. Daraufhin bricht Frank aus dem Gefängnis aus und ein gefährliches Spiel ohne Gewinner beginnt… Spannend bis zur letzten Minute.

Spontan entscheiden wir uns gegen The Holding und für The Mortician 3D. Ein Film mit einer einfach gehaltenen Handlung und flachen Charakteren und einer großartigen Kameraarbeit und kunstvollen Inszenierung auf der anderen Seite. Es ist ein ruhiger Film, dadurch auch eine Abwechslung während des Festivals und zugleich eine Überraschung.

Der Trailer zu Deadheads versprach eine Komödie mit intelligenten Zombies. Das ist auch, was man bekommt. Allerdings erinnert der Film mehr an einen Buddy-Film mit zwei Zombies, die ihren Verstand behalten haben. Leider ist Deadheads für meinen Geschmack zu unnötig brutal und leider auch mit einem sehr schlechten und stumpfen Ende versehen worden. Ein guter Film – vielleicht, eine gute Komödie allemal – aber doch eine Enttäuschung, aufgrund der hohen Erwartungen an den Film.

Hesher (Kurzrezension)

T.J. ist ein trauriger und einsamer Junge. Nach dem Tod seiner Mutter lebt er gemeinsam mit seinem Vater bei dessen Mutter, also T.J.'s Großmutter. Das rote Unfallauto wird zu Beginn des Films zu einem Schrottplatz gebracht. T.J. jagt mit seinem Fahrrad dem Abschleppwagen nach und verbarrikadiert sich in dem Wagen. Nachdem er aus dem Wagen entfernt wurde, kehrt er nach Hause zurück, zu einem Vater, der sich nur noch mit Tabletten zudröhnt und fast den gesamten Tag über schlafend verbringt. Eines Tages begegnet T.J. Hesher. Einem abgewichsten Typen, der sich vom Leben nimmt, was er möchte. Durch einige Situationen lebt Hesher bei T.J. in der Garage und versucht, diesem das Leben wieder näher zu bringen.

Bei Hesher handelt es sich um eine Tragikomödie mit einem ernsten Thema. Allerdings ist Hesher ein vollkommen kaputter Charakter, der einige sehr heftige Aktionen verursacht. Bis hin zu seinem Schlussmonolog hat der Zuschauer Hesher zu lieben gelernt, nicht nur den Charakter, sondern auch den Film. Eine besser in die Gesellschaft eingebundene Kritik und Persiflage gab es seit Juno nicht und auch wenn dieser sich an ein jüngeres Publikum richtet, hat der Vergleich doch seinen Wert. Natürlich geht es in Juno um eine ungewollte Schwangerschaft und nicht um den Tod einer Mutter, doch im Mittelpunkt steht ein Teenager, der nicht mehr weiß, wohin ihn sein Leben bringen soll. T.J. hasst sich selbst und seinen Vater, die Schule, das Leben und eigentlich alles andere auch. So ist die Situation zu Beginn des Filmes. Hesher tritt in T.J.'s Leben und auch das Leben des Vaters, dabei wirkt er radikaler und skrupelloser, als man erwarten könnte, aber dennoch erinnert Hesher an eine abgefuckte Version von Mary Poppins (lediglich der Charakter). Allerdings nicht durch das Singen merkwürdig fröhlicher Lieder, sondern durch die Arschloch-Attitüde, die er besitzt, kann er T.J. beeindrucken. Mehr soll zur Handlung und den Charakteren an dieser Stelle nicht gesagt werden.

Vielleicht hat man hier einen Feel-Good-Movie, der sich vor dem Kern einer Tragödie befindet. Neben den großartig interagierenden Schauspielern ist vor allem ein rotes Auto dafür verantwortlich, dass sich die Handlung in Hesher weiter entfalten kann. Von mir aus eine klare Empfehlung an den Film, der mit einem sehr Heavy-Metal-lastigem Soundtrack versehen wurde.

The Divide (Kurzrezension)

Tränen rutschen aus Evas geweiteten Augen. Auf ihnen spiegelt sich die Vernichtung Manhattens, die Frau erlebt sie live am Fenster ihrer Hochhauswohnung mit: In unmittelbarer Nähe schießt ein atomarer Feuerpilz in den Himmel und reißt die Innenstadt nieder. Schon packt ihr Freund Sam sie am Handgelenk, schreit so etwas wie „Wir müssen weg!“. Doch das Treppenhaus ist bereits ein Strom flüchtender Menschen, in dem die Zwei unterzugehen drohen. Gerade noch der Mechanik der panischen Massen entkommen, retten sich Eva und Sam in den Keller, während hinter ihnen Gänge und Fluchtwege verstopfen. Die schwere Stahltür zum Unterbau wird zugeschlagen, den anderen Flüchtenden der Weg abgeschnitten. Es wird finster, über den beiden dröhnt und donnert es, Dreck und Putz rieselt von der Decke herab. Das Hochhaus ist eingestürzt, der Rückweg unmöglich. Jetzt sind sie eingeschlossen mit den anderen, die es noch in den Keller geschafft haben.

Ab diesem Punkt der Handlung beginnt The Divide ein brutales Drama zu zeichnen, das an die Nerven geht. Eingeschlossen und auf wenig Raum einander ausgesetzt, beginnen die Überlebenden eine Sozialstruktur aufzubauen, um den neuen Alltag unter der Erde in den Griff zu bekommen. Mit jedem Tag, der vergeht, entfernt sich die Mikrogesellschaft von den Prinzipien der Demokratie, bis sie an die Ursprünge des Menschen zurückkehren: dem Faustrecht. The Divide zeigt glaubhaft, was aus Menschen wird, für die keine sozialen Regeln mehr gelten, macht dabei einen unerwarteten Abstecher in die äußere postapokalyptische Welt und ihren neuen Bewohnern, bis die Gruppe letztlich endgültig unter Trümmern und Schutt begraben bleibt – ihres Schicksals harrend, das aus Misstrauen, Missgunst, Gewalt und Gier besteht.

Letzte Änderung amDienstag, 24 August 2021 11:07
André Vollmer

Schriftsteller. Forscher. Phantast. Am Meer geboren. Gründer von Mellowdramatix.

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