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Kritik: „Splatterfilm und Torture Porn“ von J. Lehmann

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Jörg Lehmann hat ein mangelhaftes Werk geschaffen, das weder eine nachvollziehbare Neuerung noch eine gute Diskussionen zu den behandelten Genres liefert.

Dieses Buch lässt den selbstauferlegten Ansatz vermissen. Wenn man Splatterfilm mit Torture Porn vergleicht, dann wäre eine klare Begriffsdefinition für diese elementaren Sub-Genres des Horrors von größter Wichtigkeit. Dabei wird der Splatterfilm noch durch ein direktes Zitat definiert, wohingegen zum Begriff des Torture Porn nicht einmal der Begriffsursprung geklärt wird. Da diese Bezeichnung aus einem Kommentar zu Hostel im New York Magazin von David Edelstein stammt, wäre es ein Leichtes gewesen, diesen Text einzubinden. Zudem werden primär Georg Seeßlen und Fernand Jung mit ihrem Werk Horror - Grundlagen des populären Films zitiert. Das Buch selbst steht oftmals in der Kritik, zumal es eine Verortung von Horror in einem realen Umfeld nicht zulässt. Ähnlich wie in dem bloß in der Literaturliste aufgeführten The Philosophy of Horror or Paradoxes of the Heart von Noel Carroll wäre auch zu diesem Punkt eine Diskussion des Verständnisansatzes von Horror sinnvoll gewesen. Weder der Standpunkt von Carroll noch der von Pinedo in Recreational Terror definierte Ansatz zu den Grundlagen des Genres finden Erwähnung, trotz der Tatsache, dass beide Werke in der Literaturliste aufgeführt werden. Dieser Punkt ist jedoch nicht der einzige, an dem das vorliegende Werk Qualität vermissen lässt.

Auf die Schwierigkeit im Umgang mit dem Begriff Torture Porn wird komplett verzichtet, der Begriff wird nahezu unreflektiert verwendet. Es werden lediglich historische Ereignisse der US-Geschichte mit Filmen aus der jeweiligen Zeit verglichen, allerdings mit zuweilen konstruiert wirkenden Rückschlüssen. So war es dem Autor nicht möglich zu berücksichtigen, dass es nicht nur einen George W. Bush gab, der Präsident der USA gewesen ist. Durch ein jr. am Ende wäre diese kleine Schwäche einfach zu beheben gewesen. Dies ist jedoch kein Fehler, es führt nur eventuell zur Verwirrung. Aus dem Werk erwachsen ebenfalls einige unverständliche Stilblüten. So vergleicht man John „Jigsaw“ Kramer aus SAW mit Dracula, unter expliziter Bezugnahme auf den ersten Teil der Serie. Der ohnehin bereits dünne Ansatz soll dann mit einem Bild aus SAW II belegt werden. An diesem Punkt offenbart sich spätestens die Dürftigkeit dieser These. Hinzu kommt, dass mehrfach mit wissenschaftlichen Elementen des feministisch geprägten Horrors argumentiert wird, ohne dabei einen direkten Verweis zu liefern. An einer Stelle liest man, sofern man sich im Genre auskennt, Carol J. Clover und Vera Dika angewandt auf Haus der 1000 Leichen. Es gibt jedoch keinen Verweis auf die Texte und, auch wenn die dort gewählten Formulierungen um die Waffe als phallisches Symbol der Machtrepräsentation auch mit den Thesen von Laura Mulvey oder im entferntesten mit Freud hergeleitet werden könnten, ist dieses Wissen zu speziell, um davon ausgehen zu können, dass ein Leser diesen Verweis versteht. Zudem wird damit der Anteil der eben genannten Autoren an den Thesen unterschlagen. Dies geschieht an mehreren Stellen des vorliegenden Buches. Es weist somit elementare wissenschaftliche Schwächen auf. Nun kann man durch eine relativ kurze Recherche herausfinden, dass es sich bei dem Buch um eine Bachelor-Thesis handelt. Das bedeutet, dass diese Arbeit belegen soll, dass der Student wissenschaftlich arbeiten können soll und verschiedene Ansätze diskutieren, vergleichen und anwenden kann. Dies reduziert die Qualitätsansprüche minimal, die Beurteilung mit der Note 2,5 tut dies erneut. Für ein derartiges Machwerk, das noch deutlich mehr Schwächen als die genannten aufweist, rund 35 Euro zu verlangen, ist grenzwertig. Elementare Werke wie Peter Hutchings The Horror Film oder auch Planks of Reason von Barry K. Grant (Hg.)[1] werden rücksichtslos ignoriert.

Wer einen Einstieg in die Thematik sucht, dem wird mit diesem Buch nicht geholfen werden. Wer dem Englischen mächtig ist, greift idealer Weise zu The Horror Film von Peter Hutchings für ebenfalls rund 35 Euro, allerdings behandelt dieses Buch ausschließlich die Zeit bis 2004 und endet somit bei den Post-Slashern und der Remake-Welle von japanischen Horrorfilmen in den USA. Zum Torture Porn gibt es im Internet einige interessante Diskussionen, erste Bücher erscheinen im Juli und August dieses Jahres.

Jörg Lehmann hat mit Splatter Film und Torture Porn ein mangelhaftes Werk geschaffen, welches weder nachvollziehbare Neuerung noch gute Diskussionen zum behandelten Genre liefert. Zudem lässt das Werk den korrekten Umgang mit wissenschaftlichen Texten vermissen. Oftmals fehlen Quellenverweise oder sind unvollständig angegeben. Das Buch ist massiv überteuert und ist aufgrund des geringen Umfangs ein weiteres Mal enttäuschend.

 


„Splatterfilm und Torture Porn: Politische und soziokulturelle Parallelen zu dem Amerika der 70er“

 Autor: Lehmann, Jörg

Verlag: Diplomica Verlag http://www.diplomica-verlag.de

Veröffentlichungsdatum: 1., Aufl. 01.2013

 

[1] Hiervon ausgenommen ist der Artikel The Aesthetics of Fright von Morris Dickstein, dieser findet Erwähnung. Allerdings ist der Artikel unter anderem bei Googlebooks zu finden und setzt somit keine Auseinandersetzung mit dem gesamten Buch voraus.

Letzte Änderung amFreitag, 18 August 2017 16:26
Thomas Heuer

Dr. phil. Medienwissenschaft

Forscher, Fotograf, Filmemacher, Journalist, Gamer

Forschungsfelder: Immersionsmedien, Horror, vergleichende Mediendramaturgien, Game Studies, Medienethik und -philosophie

Abschlüsse: Medienwissenschaft M. A., Multimedia Production B. A., Facharbeiter Kommunikationselektronik

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