„Byzantium“: Intensives Vampir-Drama über Emanzipation und Vertrauen
- geschrieben von André Vollmer
- Publiziert in Film
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Ähnlich wie in Interview mit einem Vampir erzählt Regisseur Neil Jordan nun erneut auf zwei Zeitebenen von der Beziehung zweier Vampire. Poetisch, intensiv, blutig.
Rezension
Mit Byzantium kommt ein atmosphärisches Vampir-Drama auf die Leinwand, das die Gefühlswelt der unsterblichen Geschöpfe ins Zentrum der Erzählung rückt. Der Film ist ähnlich gut wie damals Interview mit einem Vampir, bei dem derselbe Regisseur, Neil Jordan, für die filmische Ausgestaltung verantwortlich ist. Auch wenn Moira Buffinis Drehbuch nicht mit den literarischen Qualitäten von Anne Rice mithalten kann, deren Interview with the Vampire 1994 verfilmt wurde, ist Byzantium ein intensiv und poetisch erzählter Film. Die Geschichte dreht sich um zwei weibliche Vampire, deren Beziehung zueinander über die Jahrhunderte hinweg problematisch geworden ist. Der Konflikt, der sich entsprechend abzeichnet, erfolgt unter anderen Vorzeichen als in Interview mit einem Vampir, in dem ebenfalls zwei Vampire miteinander brechen, weil sie unterschiedlichen Wertvorstellungen folgen.
Eleanor (Saoirse Ronan) wurde von Clara (Gemma Arterton), die als junges Mädchen von einem Offizier in die Prostitution gezwungen wurde, nicht nur in die Ewigkeit geholt. Sie ist auch die leibliche Mutter Eleanors, die ihr Kind im Bordell gebären und in ein Waisenhaus geben musste, um es vor der Ermordung zu retten. Über Jahre hinweg beobachtete Clara, wie ihre Tochter zu einer jungen Frau heranwuchs, um sie dann an ihrem Geheimnis teilhaben zu lassen. Eleanor aber ist von einem ganz anderen Charakter als ihre Mutter, die auch im 20. Jahrhundert über ihre einstige Prägung nicht hinwegkommt und das heruntergekommene Hotel namens Byzantium in ein Bordell verwandelt. Mit dieser Profession und dem skrupellosen Umgang mit Menschenleben ist die tiefsinnige Eleanor nicht einverstanden. Sie verspürt stattdessen den Drang, das Geheimnis ihres Daseins mit den Menschen zu teilen, und findet in dem schwerkranken Frank (Caleb Landry Jones) einen Zuhörer. Die Verschleierung ihrer Existenz sieht Clara dagegen als eine überlebensnotwendige Bedingung ihrer Existenz an und schreckt nicht davor zurück, unautorisierte Eingeweihte aus dem Weg zu räumen. Sie hat auch guten Grund dazu: Das Geheimnis ihrer Unsterblichkeit stahl sie einer dunklen Bruderschaft, die seither Jagd auf sie macht.
Byzantium ist nicht so düster und blutig wie etwa der schwedische Vampirfilm So finster die Nacht, setzt aber in gleicher Weise auf eine charaktergetriebene Handlung, die Drehbuchautorin Moira Buffini zudem mit der historischen Tiefe eines vampirischen Lebens anreichert. In Rückblenden und mit Eleanor als Erzählerin schildert der Film, woher die zwei Vampire stammen und was sie verbindet. Im Hier und Jetzt der Handlung dagegen folgt der Blick des Zuschauers größtenteils Eleanor, wie sie versucht, sich Frank anzuvertrauen, während die Bruderschaft zunehmend näherrückt. Dabei setzt der Film auf eine Mythologie, der Fangzähne und der Tod durch Sonnenlicht unbekannt sind, während das Verlangen nach Blut ein wichtiger Zug dieser Vampir-Interpretation bleibt. Die Existenz bei Tag eröffnet neue Erzählräume, die geschickt genutzt werden, um Eleanor in der Welt der Sterblichen agieren zu lassen, und bleibt von Frank nicht unreflektiert. Diese Reflexionsebene ist eines der vielen Details, die der erzählten Welt Tiefe verleihen. Sie markiert die gewählte Interpretation des Vampirs als abweichend von dem, was man diesem mythologischen Wesen gemeinhin zuschreibt.
Byzantium ist ein poetisches Drama mit zwei vampirischen Hauptfiguren, die sehr unterschiedlich denken und fühlen, aber durch Verwandtschaft aneinandergebunden sind und im Angesicht der Bedrohung zueinanderfinden müssen. Byzantium ist aber auch eine zweifache Emanzipationsgeschichte: einerseits die Behauptung der Tochter gegenüber ihrer Mutter, die den Lebenswandel diktieren will, und andererseits die Durchsetzung des Rechts auf Leben, das den weiblichen Protagonisten durch eine patriarchische Gemeinschaft von Vampiren abgesprochen werden soll.
Trailer zu Byzantium

André Vollmer
Schriftsteller. Forscher. Phantast. Am Meer geboren. Gründer von Mellowdramatix.