„Jumanji“ – Im Videospieldschungel der Selbstironie
- geschrieben von André Vollmer
- Publiziert in Film
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Jumanji schickt vier ungleiche Jugendliche in den Dschungel eines real gewordenen Videospiels. Ein Abenteuer für Videospielliebhaber, die es ironisch mögen.
Rezension
Alles ist spannender, als in der Schule eine Rumpelkammer aufzuräumen, denken sich vier Jugendliche, die zum Nachsitzen verdonnert wurden, und schließen eine in die Jahre gekommene Videospielkonsole an einen Röhrenfernseher an. Was sie nicht vorhersehen konnten: In dem Spielgerät steckt ein verfluchtes Videospielmodul namens „Jumanji“, das die Teenager in eine Videospielwelt schickt. Allerdings nicht als sie selbst, sondern als die Spielfiguren, die sie vorab ausgesucht haben. Es beginnt ein halsbrecherisches Abenteuer, das nach den Spielregeln und Erzählmustern alter Videospiele abläuft. Einmal begonnen, muss „Jumanji“ zu Ende gespielt werden. Für die Spielenden heißt das: Gewinnen oder Sterben.
Jumanji: Willkommen im Dschungel ist die lose Fortsetzung eines spektakulären Phantastikfilms, der 1995 mit Robbie Williams in einer der Hauptrollen in die Kinos kam. Darin war das verhängnisvolle Spiel „Jumanji“ noch ein Brettspiel. Der Nachfolger greift dies in einem Vorspann auf und macht deutlich, dass sich das Spiel dem Zeitgeist anpasst und eine mediale Form annimmt, die gerade populär ist. Während in Joe Johnstons Jumanji von 1995 das Übernatürliche in die reale Welt einbricht, sind es in der Fortsetzung die Figuren, die in eine übernatürliche Welt einbrechen und dort vor Herausforderungen gestellt werden. Entsprechend ist die Ausgangslage eine deutlich andere, die mich, als ich den Trailer gesehen habe, daran hat zweifeln lassen, ob der neue Jumanji gelingen kann. Wer den medialen Wechsel von Brettspiel zu Konsolenspiel allerdings mitmacht oder sich unabhängig davon für Videospiele interessiert, dem kann Jumanji Spaß machen.
Das Besondere an dieser Abenteuerkomödie ist nicht das Abenteuer, das eher einen unterhaltsamen Aufhänger darstellt, sondern die stetige, äußerst humorvolle Selbstkommentierung des Films. Denn jenes Abenteuer ist, wie gesagt, zugleich ein Videospiel und die vier Jugendlichen, die darin als ihre Spielfiguren auftreten, sind sich dessen bewusst. Folglich kommentieren sie unentwegt sowohl ihre stereotypen Spielfiguren, mit denen sie mehr oder weniger zufrieden sind, als auch den schematischen Aufbau der Dschungelwelt, die keinen Zweifel daran lässt, dass sich die Vier in einem Videospiel befinden. Es gibt Levels, verschiedene Gegnertypen und NSCs treten auf – Nicht-Spieler-Charaktere, die immer wieder dasselbe sagen oder nur auf die Spielfigur reagieren, die das Spiel als die Hauptfigur vorgesehen hat. Auch sind die unterschiedlichen Fähigkeiten der Spielfiguren auf den ersten Blick unfair austariert, teilweise sogar diskriminierend – ein Problem, das der Film bewusst aufwirft und durch die humorvolle Selbstkommentierung auflöst. Da der Abenteuerplot und die typische Gut-Böse-Struktur ironisch in eine Videospiel-Erzählung eingebettet werden, habe ich mich nicht an dem Stereotypen gestört, im Gegenteil: Es wird zum notwendigen Hintergrund für den Humor, der vielfach ein wenig pubertär wirkt oder zumindest stark auf eine jugendliche Erfahrungswelt bezogen ist. Aber das kann – wie ich meine – auch viele Erwachsene begeistern, die dafür offen sind.
Jumanji kommt allerdings nicht ohne Klischees aus, die außerhalb der besagten ironisierten Videospielerzählung liegen. Denn auch die Jugendlichen sind, wie ihre Spielfiguren, eher eindimensional. Mit den vier ungleichen Jugendlichen Spencer, Fridge, Bethany und Martha betreten die Dschungelwelt von „Jumanji“ ein überängstlicher, aber intelligenter Nerd (Alex Wolf), ein taffer Sportler mit schlechten Schulnoten (Ser’Darius Blain), eine Schönheit, die sich in den sozialen Medien selbstbespiegelt (Madison Iseman), und eine schüchternes Nesthäkchen, das viel büffelt (Morgan Turner). Die Liebenswürdigkeit und der Witz der Figuren machen ihren einseitigen Charakter wett. Zumal der Charakter der Jugendlichen durch den Charakter seiner Spielfigur kontrastiert wird, was einen Großteil der Witze in Jumanji ausmacht und zur Figurenentwicklung beiträgt (dem Erwachsenwerden der Jugendlichen, die über ihren eigenen Schatten springen müssen, um das Abenteuer zu meistern). So wird der ängstliche Spencer ausgerechnet der furchtlose Dr. Smolder Bravestone (Dwayne Johnson) und die selbstverliebte Bethany, die so auf ihre äußere Erscheinung erpicht ist, wird zu einem übergewichtigen Kartografen mittleren Alters namens Dr. Shelly Oberon (Jack Black).
Jumanji: Willkommen im Dschungel ist eine Abenteuerkomödie, die durch ihre besondere Erzählstruktur auf selbstironischen Humor setzt und sich derart mit den Erzählweisen älterer Videospiele auseinandersetzt, daneben aber auch viel Action, witzige Figuren und eine Geschichte über das Erwachsenwerden bietet.
Trailer zu Jumanji: Willkommen im Dschungel
„Jumanji: Willkommen im Dschungel“ (OT: Jumanji: Welcome to the Jungle)
Infokasten
Regie: Jake Kasdan
Drehbuch: Diverse
Laufzeit: 119 Minuten
Produzent: Sony Pictures Entertainment u.a.
Verleih: Sony Pictures Releasing
USA | 2017
Veröffentlichung in Deutschland 21.12.17 (Kinostart)
André Vollmer
Schriftsteller. Forscher. Phantast. Am Meer geboren. Gründer von Mellowdramatix.