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Serie

„Chilling Adventures of Sabrina“ – Zwischen den Welten

Werbematerial (Ausschnitt) Netflix Werbematerial (Ausschnitt)

Diese düstere Comic-Adaption über eine Hexe im Jugendalter begeistert mit einer willensstarken weiblichen Hauptfigur, die sich zwischen zwei Welten entscheiden muss.

Rezension

sabrina 2Die Teenagerin Sabrina Spellman (Kiernan Shipka) ist halb Mensch, halb Hexe und damit eine absolute Seltenheit, da die geheimniskrämerischen Hexen und Hexer von Greendale lieber für sich bleiben, ja sogar bei Strafe den Umgang mit Sterblichen untersagen. Sabrinas Vater, ein mächtiger Hexer namens Edward Spellman (Georgie Daburas), und seine sterbliche Frau Diana (Annette Reilly) haben sich allerdings über dieses Verbot hinweggesetzt und ihre Tochter nun mit dem Dilemma alleingelassen, Teil von zwei Welten zu sein. Denn seit dem Tod der Eltern lebt Sabrina bei ihren Tanten Zelda und Hilda (Miranda Ottound und Lucy Davis), zwei Vollbluthexen, die es gern sähen, wenn ihre Nichte dem Pfad der Dunkelheit folgt, sich also in der Nacht ihres sechszehnten Geburtstages der schwarzen Taufe hingibt und ihren Namen in das „Book of the Beast“ schreibt. Nur dann würde Sabrina ganz und gar zur Hexe werden, die einerseits die „Academy of Unseen Arts“ besuchen dürfte, eine Art dunkles Hogwarts für angehende Hexen und Hexer. Andererseits müsste Sabrina dann alle ihre Freunde an der Baxter High aufgeben, darunter auch ihren Freund Harvey Kinkle (Ross Lynch).

Die Serie Chilling Adventures of Sabrina erzählt eine Geschichte über das Erwachsenwerden, in der sich eine willensstarke junge Frau zwischen zwei scheinbar unvereinbaren Welten entscheiden muss, sich aber ihre Eltern zum Vorbild nimmt und gegen die althergebrachten Traditionen auflehnt. Für ihr Alter ist Sabrina ungewöhnlich erwachsen und verfolgt selbstbewusst ihre Ideale. Zwar ist sie unsicher über Bedeutung und Tragweite der Traditionen, die ihre Familie an sie heranträgt, doch sie weiß sich zu behaupten und nicht nur gegen die geheime Gesellschaft der Hexen durchzusetzen, sondern auch gegen das Primat der Männlichkeit überhaupt. Sowohl die Welt der Sterblichen als auch die der Hexen ist trotz vieler starker Frauenfiguren letztlich von Männern dominiert. Einerseits ist es der dunkle Hohepriester Father Blackwood (Richard Coyle), anderseits der Schuldirektor George Hawthorne (Bronson Pinchot), die zu Sabrinas Gegenspielern werden und mit ihren Wertvorstellungen die Gesellschaft prägen. In der Schule stellen sich Sabrina und ihre Freunde deshalb gegen den Direktor, der verbietet, dass bestimmte Bücher von den Schülern gelesen werden, und gründen den Club Wicca, der sich gegen die Unterdrückung der Frauen zur Wehr setzt. Auch die Diskriminierung von sexuellen Identitäten abseits des heterosexuellen Mainstreams spielen eine wichtige Rolle.

sabrina 1Geschickt werden diese sozialpolitischen Themen mit der düsteren Mythologie der Hexerei, Teufelsanbetung und Besessenheit verbunden, sodass zu keinem Zeitpunkt der Eindruck eines erhobenen Zeigefingers entsteht. Vielmehr werden die Qualen der Figuren in den Fokus gerückt, die unter den Normen des herrschenden Systems leiden. Dämonen flüstern ihnen ein, dass sie nicht normal wären, stattdessen abartig und sündhaft. Und das Biest, die Verkörperung des Teufels auf Erden, die den Hexen ihre Macht gibt, ist nicht umsonst männlich. Es verlangt die Unterwerfung der Frau, symbolisiert durch die Eintragung ihres Namens in das „Book of the Beast“. Gegen all dies steht Sabrina Spellman als eine aufgeklärte, emanzipierte Jugendliche, die ihren Weg geht.

Dabei kommt das Düstere, Unheimliche und Spannende der Thematik nicht zu kurz. Im Gegenteil wird die Ambivalenz, die sich aus den mythologischen Wurzeln dieser Serie ergibt, nicht ausgeblendet. Hexen sind in der europäischen Mythologie Teufelsanbeterinnen, die über magische Fähigkeiten verfügen und sie entsprechend auch gegen Sterbliche einsetzen, sofern sie es müssen. Ohne Zaubersprüche, andersweltliche Wesen oder dunkle Omen kommt daher keine Folge aus. Auch Sabrina ist versucht, ihre Zauberkraft für ihre Zwecke einzusetzen. Das verleiht ihrer Stärke bisweilen einen dunklen Glanz. Überhaupt besteht das Figurenensemble dieser Serie fast nur aus gemischten Charakteren, deren Zugehörigkeiten zu einer „guten“ oder „bösen“ Seite, wie das Thema der Serie ja nahelegt, verschwimmen. Und so muss Sabrina auch mehrfach mit Figuren zusammenarbeiten, die zunächst wie Widersacher wirken, aber letztlich auch nur Teil ihrer Gesellschaft sind, freilich einer düsteren Hexenkultur, deren Fundament – die Anbetung des dunklen Fürsten – mit jeder Folge fragwürdiger erscheint. Befeuert wird diese undurchsichtige Figurenkonstellation außerdem durch die langjährigen Beziehungen mancher Figuren zueinander, etwa der zwischen Tanta Zelda und dem Hohepriester Father Blackwood, der ihre Hilfe in einer delikaten Angelegenheit erbittet. Und nicht zuletzt sorgt das Netz aus manipulativen Figuren für Nervenkitzel, ein Netz, das sich immer enger um Sabrina spannt, darunter zwei mächtige Hexen oder Hexer – das lasse ich hier offen – die den Namen des Halbbluts um jeden Preis im „Book of the Beast“ geschrieben sehen wollen. Die beschriebene Ambivalenz macht auch vor Sabrina nicht Halt. Die selbstbewusste Art der Protagonistin neigt beizeiten zu einem jugendlichen Trotz, der sie im Staffelfinale schließlich Gefahr laufen lässt, nicht mehr nur soziale Strukturen, sondern auch die von Leben und Tod anzuzweifeln.

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Die Netflix-Serie Chilling Adventures of Sabrina ist eine lose Adaption der Comicserie Sabrina the Teenage Witch und nicht die erste. Vielen Zuschauern könnte Sabrina noch aus der US-Sitcom Sabrina – Total Verhext! (OT: Sabrina the Teenage Witch) bekannt sein, die Ende der 90er im deutschen Fernsehen lief. Anders als die familienfreundliche TV-Serie von damals setzt die Neuauflage von Netflix nicht auf Klamauk. Auch die typischen Probleme von Teenagern spielen nur eine randständige Rolle. Die neue Serie ist deutlich düsterer und sehr viel ernster, aber nicht so düster und ernst, dass Jugendliche sie nicht auch sehen könnten. Vielmehr richtet sich die Serie im Sinne einer All-Age-Konzeption an ein breites Publikum aus Jung und Alt. Gerade die Protagonistin könnte hier Identifikationspotenzial für ganz verschiedene Zuschauergruppen bieten.

Chilling Adventures of Sabrina ist, insgesamt betrachtet, eine gelungene und bisweilen sehr düstere Coming-of-Geschichte, die nicht nur mit einer starken Frau als Hauptfigur glänzt, sondern darüber hinaus sehr raffiniert und spannend sozialpolitische Themen mit dem verführerischen Schrecken der Hexerei und Teufelsanbetung verquickt.

Trailer zu Chilling Adventures of Sabrina

Infokasten

„Chilling Adventures of Sabrina“, Staffel 1

Schöpfer / Drehbuch: Roberto Aguirre-Sacasa

Regie: Verschiedene

Laufzeit: ca. 60 Minuten / 2 Staffeln à 10 Folgen

Produzent: Warner Bros. Television

Verleih: Netflix

USA | 2018

Deutsche Veröffentlichung am 26. Oktober 2018 (Streaming)

Bildrechte: Die Bilder dieses Artikels sind Ausschnitte aus dem besprochenen Medieninhalt. Deren Rechteinhaber können Sie dieser Infobox entnehmen.

Letzte Änderung amMontag, 11 Februar 2019 18:13
André Vollmer

Schriftsteller. Forscher. Phantast. Am Meer geboren. Gründer von Mellowdramatix.

Unter anderem auch das . . .

„STORIES DEFINE: Who we are. Where we have come from. Where we are going... and what we care about! Stories give life!“

– Dana Atchley

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