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Film

Zwischen Klischees und Hochspannung: „Erpressung“

DVD-Cover (Ausschnitt) Ascot Elite DVD-Cover (Ausschnitt)

Eine reiche Familie strandet im Urlaub auf einer verlassenen Insel.  Als ein Fischerboot auftaucht, kommt es statt zur Rettung zu einer teuflischen Erpressung.

Der amerikanische Arzt Kevin Riley (Eion Bailey) und seine Familie machen endlich mal Urlaub. Gemeinsam mit seiner Frau Julie (Bethany Joy Lenz) und seinem Sohn Andy (Mauricio Alemañy) geht es in die Karibik. Es wartet ein Traumstrand, ein wundervolles Hotel und die Chance mit seinem Geld protzen zu können, denn – so wird es hier zunächst vermittelt – in der Karibik sind die Menschen so arm, dass alle bestechlich sind. Dadurch gelingt es Kevin ganz leicht ein Zimmerupgrade zu erhalten, indem er dem Portier eine Banknote zusteckt. Weil sein Sohn nur noch von Jetskis redet, beschließt Kevin einen solchen zu mieten. Da aber am ersten Tag der Reise alle bereits verliehen sind und daran auch eine finanzielle Kommunikationshilfe nichts ändern kann, wird daraus nichts. Allerdings erhält Kevin die Information, dass es möglich sei, bei Einheimischen Boote zu mieten. Alles ganz unkompliziert, wenn man genug Geld hat. Da wird dann auch nicht mehr nach Führerscheinen oder Erfahrung gefragt, der reiche Tourist kann sich das halt alles leisten.

extortion 002Als Überraschung fährt die Familie aufs Meer hinaus und entdeckt dort eine abgelegene Insel. Um sich kurz umzuschauen, landet sie dort an. Bei der Abreise will der Motor aber nicht mehr starten, was darin resultiert, dass die Urlauber auf der Insel festsitzen. Niemand weiß, dass sie ein Boot gemietet haben, niemand wird sie vermissen. Bis hierhin nimmt sich der Film viel Zeit, um die Figuren zu zeichnen. Es folgt eine grausame Zeit ohne Wasser in der karibischen Hitze. Dieser Abschnitt hätte viel Überlebenskampf bieten können, wird jedoch insgesamt sehr straff erzählt. Nach einigen Tagen scheint ein Fischerboot die Rettung für die Familie zu sein, doch der kaltblütige Fischer (Barkhad Abdi) hat andere Pläne. Er zwingt den Vater dazu, für die Rettung seiner Familie eine Million Dollar zu bezahlen. Nachdem Kevin einwilligt – obwohl er so viel Geld nicht besitzt – beginnt ein gnadenloser Kampf gegen die Uhr, der immer wieder überraschende Wendungen nimmt. Die Situation spitzt sich zu und auch Kevin Riley gerät selbst ins Visier von Ermittler Constable Haagen (Danny Glover), mit dem Verdacht, er wolle seine Familie wegen der Auszahlung von deren Lebensversicherung aus dem Weg schaffen. Dieser Verdacht wird vor allem dadurch befeuert, dass Kevin zuvor eine große Menge Geld auf ein Off-Shore-Konto verschoben hat und für den Sohn eine Lebensversicherung abgeschlossen wurde.

extortion 001

extortion 003Vier Jahre nach seinem Regiedebüt, der Komödie Garbage, schlägt Phil Volken in Erpressung vollkommen andere Saiten an. Wie so oft bei unbequemen Filmen starten diese nicht im Kino, sondern landen direkt auf dem Ladentisch, so auch in diesem Fall. Der Trailer lässt vermuten, dass Erpressung ein klassisches narratives Muster liefert. Das ist aber nicht zwingend der Fall, muss aber jeder Zuschauer für sich selbst entscheiden, denn einigen werden Unterschiede auffallen und anderen nicht. Zentral ist  in Erpressung die gegenseitige Abhängigkeit der Figuren, beziehungsweise die Verbundenheit des Schicksals der Figuren. Ähnlich wie in SAW, Kidnapped oder Mother’s Day gilt hier: Läuft etwas schief, werden geliebte Menschen dafür bestraft werden. Ein solches Paradigma findet sich vermehrt im Folterfilm (auf die Spitze getrieben in WΔZ) und weniger häufig in klassischen Entführungsfilmen wie Kopfgeld. Dieser Ansatz schwingt durch die Thematik zwar immer mit, wird jedoch nur selten in den Fokus einer Entführungsgeschichte gestellt. Durch die gewählte Konstellation und den durch das Szenario gegebenen Zeitdruck, ist Erpressung ein sehenswerter und spannender Entführungsthriller. Das Werk grenzt dabei allerdings oftmals an wirklichkeitsnahen Horror, der diesen Film irgendwo zwischen Ãœberlebenskampf und Machtlosigkeit einordnen lässt. Die Ohnmacht entsteht daraus, dass Kevin von seiner Familie getrennt wird und fortan unter ständiger Beobachtung seines Häschers steht. Möchte Kevin seine Familie wieder sehen – so wird hier Druck aufgebaut – muss er in wenigen Stunden das Geld auftreiben. Dadurch entsteht der Schrecken des Films, der mit Voranschreiten der Handlung vornehmlich durch eine starke Persönlichkeitsänderung des Protagonisten deutlich wird. Besonders die Schauspieler tragen zur Stimmung des Werkes bei. Allerdings gibt es auch Kritikpunkte an dem Werk. Zum einen sind es oftmals Zufälle (manchmal glückliche, manchmal weniger glückliche), durch die der Film voranschreiten kann. Neben dieser narrativen Willkür ist es auch eine dramaturgische Entscheidung, die diesem Film in den letzten Minuten die Spannung raubt, hierzu soll jedoch nicht ins Detail gegangen werden.

Erpressung ist ein ungewöhnlicher Film, der leider nicht alle Klischees zu vermeiden weiß. Dennoch ein intensiver Thriller, der aufgrund seiner Thematik auch dem Horrorgenre zugeordnet werden könnte. Gute Schauspieler, eine langsame, aber intensive und vor allem ambivalente Zeichnung der Charaktere heben dieses Werk deutlich aus der Masse heraus. Einige krasse Momente könnten den Zuschauer von Mainstream-Filmen schockieren, das ist aber auch gut so. Dadurch bewahrt sich Erpressung – trotz mancher narrativeren Willkür – einen authentischen Erzählraum.

Trailer Erpressung

Infokasten

„Erpressung“ (OT: „Extortion“)

Regie: Phil Volken

Drehbuch: Phil Volken

Produktion: Del Rey Films, Filmmuse Productions

Laufzeit: 108 Minuten (Uncut)

Verleih: Ascot Elite

USA | Puerto Rico 2017

Ab 30.06.2017 im Handel auf DVD, Blu-ray-Disc und Video on Demand.

Letzte Änderung amDonnerstag, 07 November 2019 21:33
Thomas Heuer

Dr. phil. Medienwissenschaft

Forscher, Fotograf, Filmemacher, Journalist, Gamer

Forschungsfelder: Immersionsmedien, Horror, vergleichende Mediendramaturgien, Game Studies, Medienethik und -philosophie

Abschlüsse: Medienwissenschaft M. A., Multimedia Production B. A., Facharbeiter Kommunikationselektronik

Unter anderem auch das . . .

„Phantasie bzw. Fantasie (griech.: [...] phantasía – ‚Erscheinung’, ‚Vorstellung’, ‚Traumgesicht’, ‚Gespenst’) bezeichnet eine kreative Fähigkeit des Menschen. Oft ist der Begriff mit dem Bereich des Bildhaften verknüpft (Erinnerungsbilder, Vorstellungsbilder), kann aber auch auf sprachliche und logische Leistungen (Ideen) bezogen werden. Im engeren Sinn als Vorstellungskraft bzw. Imagination ist mit Phantasie vor allem die Fähigkeit gemeint, innere Bilder und damit eine ‚Innenwelt’ zu erzeugen.“

– Wikipedia

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