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Film

Noch einmal so leben, als sei man frei: „Jakob‘s Wife“

Empfehlung Filmszene (Ausschnitt) Lighthouse Home Entertainment Filmszene (Ausschnitt)

Die 80s-Scream-Queen Barbara Crampton ist in Jakob’s Wife in ihrer ersten Hauptrolle seit langem zu sehen. Eine kurzweilige, blutige Horrorkomödie mit Vampiren.

Rezension

jw 1Anne (Barbara Crampton) ist seit vielen Jahren verheiratet mit Pastor Jakob Fedder (Larry Fessenden). Aus dieser Ehe ist schon lange die Luft raus und je mehr Zeit vergeht, desto mehr fragt Anne sich, warum sie ihre Träume und Wünsche für Jakob aufgegeben hat. Als ihr ehemaliger Freund aus der Schulzeit in die Stadt kommt und sich mit Anne trifft, ist sie für vieles offen. Dann kommt es allerdings ganz anders, als die beiden früher Verliebten in ihr einstiges Liebesnest zurückkehren und dort auf einen Vampir (Bonnie Aarons) treffen. Dieser zerfetzt den Mann und verwandelt Anne in einen Vampir.

Der Auftritt des Vampirs wird hier als eine Phantastische Metapher verwendet, denn wo Anne zuvor unterdrückt wurde und ihre eigenen Bedürfnisse immer hintangestellt hat, hat sie nun Kräfte, von denen sie nichts geahnt hat. Neben extremer Stärke und wieder aufkeimenden Lebensfreude erwacht auch das Verlangen für ein selbstbestimmtes und befriedigendes Sexleben. Das alles kommt allerdings zu einem Preis. Fortan muss Anne Blut trinken. Dass dafür der ein oder andere Mensch ein blutiges Ende findet, sorgt allerdings für ungewollte Aufmerksamkeit und in der Folge für Probleme.

Gesellschaftskritik und Barbara Crampton in Höchstform

Im Kern ist Jakob’s Wife ein Horrorfilm mit komödiantischen Momenten, der als reiner Genrefilm weder als Horrorfilm noch als Komödie funktioniert. Der Film platziert sich somit zwischen zwei Stühlen und nutzt sowohl die Schreckenselemente der Inszenierung als auch die Situationskomik mancher Szenen für etwas Eigenes. Dabei scheint es für Jakob’s Wife von großer Bedeutung zu sein, das bestehende Patriachat zu kritisieren, welches innerhalb der Geschichte von Pastor Jakob Fedder repräsentiert wird. Insgesamt wird viel Kritik am Umgang mit dem Motiv „Die Frau als Anhängsel zum Mann“ geübt. So wird beispielsweise sehr direkt darauf hingewiesen, dass Anne ihrem Mann immer zur Seite stehen muss und ihre eigenen Sorgen keine oder zumindest kaum Relevanz für Jakob besitzen. Erst als Jakob denkt, dass seine Frau ihn mit ihrem Ex betrügt, ändert sich etwas an seinem Verhalten. Dabei geht die Motivation von einer Demütigung seiner Männlichkeit aus, was somit nicht durch eine Sorge um Anne oder ähnliches motiviert ist, sondern ausschließlich durch den verletzten Stolz des Pastors. Selbst als offensichtlich für Jakob wird, dass seine Frau ein Vampir geworden ist, stemmt er sich noch immer dagegen, dass Anne eigenständige Entscheidungen treffen darf. In der Summe – ohne hier zu viel vorwegnehmen zu wollen – ist Jakob’s Wife ein Film, der auf die noch immer anhaltende Ungleichbehandlung der Geschlechter in der Gesellschaft hinweist und diese explizit in Frage stellt und kritisiert.

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Ein Glanzstück der Horrorfilmgeschichte ist Jakob’s Wife nicht, aber in seiner Form doch zumindest eine Kuriosität. Das ist vornehmlich in der Besetzung der Hauptdarstellerin begründet. Barbara Crampton hatte ihre große Zeit als Horror-Darstellerin in den Achtzigern (Body Double, Re-Animator, From Beyond), die ihr den Titel „Scream Queen“ einbrachte, mit dem noch heute geworben wird. Immer wieder taucht sie in kleinen Rollen in Genrefilmen auf, in den vergangenen Jahren beispielsweise in You’re Next, The Lords of Salem, The Divine Tragedies oder Replace. Eine größere Rolle hatte Barbara Crampton bereits 2018 in Puppet Master: Littlest Reich. Da die Darstellerin im ersten Puppet Master (1989) mitgespielt hat, ist es ein interessanter Bezug, der vermutlich kaum jemandem auffällt, wenn man es nicht irgendwo gelesen hat. Die mittlerweile 62 Jahre alte Barbara Crampton ist noch immer sehr umtriebig und beweist spätestens in Jakob’s Wife, dass gealterte Schauspielerinnen noch immer überzeugen können, wenn es Drehbücher gibt, die dies zulassen. Im Fall von Jakob’s Wife gelingt dies und Barbara Crampton überzeugt auf ganzer Linie unter der Regie von Travis Stevens.

Fazit

Wenig subtil, sehr unterhaltsam und zeitweise durchaus spannend ist Jakob’s Wife eine blutige Popcorn-Party, die offen einen gesellschaftlichen Missstand anprangert. Besonders Barbara Crampton überzeugt in diesem Film, als die perfekte Besetzung der unterwürfigen Ehefrau, die dann plötzlich zu einem neuen Leben findet und sich gegen das Patriachat erhebt. Wunderbar schrullig, etwas trashig und passagenweise überaus blutig ist dieser schwarzhumorige Horrorfilm eine ganz besondere Perle des feministisch geprägten Horrorkinos.

 

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Trailer zu Jakob's Wife

Infokasten

„Jakob's Wife“

Regie: Travis Stevens

Drehbuch: Kathy Charles, Mark Steensland, Travis Stevens

Laufzeit: 98 Minuten

Produzent: Barbara Crampton, Bob Portal, Inderpal Singh, Travis Stevens

Verleih: Lighthouse Home Entertainment

USA | 2021

Veröffentlichung: Zum Zeitpunkt der Veröffentlichung dieses Textes gibt es keinen Veröffentlichungstermin für Deutschland. Der Film lief im Programm der Fantasy Filmfest Nights XL 2021.

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Letzte Änderung amMontag, 27 September 2021 09:55
Thomas Heuer

Dr. phil. Medienwissenschaft

Forscher, Fotograf, Filmemacher, Journalist, Gamer

Forschungsfelder: Immersionsmedien, Horror, vergleichende Mediendramaturgien, Game Studies, Medienethik und -philosophie

Abschlüsse: Medienwissenschaft M. A., Multimedia Production B. A., Facharbeiter Kommunikationselektronik

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„[S]elbst die schönste Gegend hat Gespenster, die durch unser Herz schreiten, sie kann so seltsame Ahndungen, so verwirrte Schatten durch unsere Phantasie jagen, daß wir ihr entfliehen, und uns in das Getümmel der Welt hinein retten möchten.“

– Ludwig Tieck in Phantasus. Eine Sammlung von Märchen, Erzählungen, Schauspielen und Novellen

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