„Primal“ – Blutrünstiger Kampf ums Überleben
- geschrieben von André Vollmer
- Publiziert in Serie
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In einem brutalen Überlebenskampf trotzen Höhlenmensch und Dinosaurierin gemeinsam den Monstern, Kulten und Seuchen einer urzeitlichen Fantasy-Welt.
Rezension
Nach einem tragischen Verlust, der sie miteinander verbindet, schließen sich ein Höhlenmensch (Aaron LaPlante) und eine Dinosaurierin zusammen. Nach anfänglichen Reibereien um Beute erkennen sie, dass sie effektiver jagen, wenn sie im Team arbeiten. Was folgt, ist eine Abenteuerreise durch eine prähistorische Welt mit fanatischen Kulten, Hexerei und allerhand Ungeheuern, die sich dem ungleichen Paar entgegenstellen, seien es nun Riesenspinnen, Fledermausmonster, Mammuts, Raptoren oder Horden von Affenmenschen.
Die Urzeit, die in der Animationsserie Primal inszeniert wird, ist gnadenlos. Die Existenz dreht sich um kaum mehr als Fressen oder Gefressen werden. Das macht schon die erste Episode deutlich, die das Fundament für die Freundschaft zwischen Mensch und Saurier legt. Sie zeigt aber auch, worum es ebenfalls geht: um Familie, insbesondere um den Verlust derselben. Dieses Motiv wiederholt Primal in verschiedenen Variationen. Die Serie findet dadurch einen existenzialistischen Zugang zum Problem des Überlebenskampfes, der einerseits in äußerst blutigen und brutalen Auseinandersetzungen in Szene gesetzt wird, andererseits nicht bei der reinen Gewaltdarstellung stehenbleibt, sondern sie in Reflexionen über das Leben einbettet. Da in dieser Serie kaum gesprochen wird, sieht man einmal von Schreien, Brüllen, Fauchen ab, bleiben diese Reflexionen ganz dem Publikum überlassen. Ihnen wird aber durchaus Zeit eingeräumt: in langen Close-ups auf die Gesichter der Protagonisten, sodass deren Mimik zusammen mit der Musik die Emotionen vermittelt, aber auch alles weitere, was gesagt werden könnte, aber nicht gesagt wird.
Unbestreitbar ist, dass die inszenierte Gewalt in Primal Unterhaltungswert zugeschrieben wird und großen Raum in den einzelnen Episoden einnimmt, stellenweise sogar blutrauschartig überbordet. Zugleich wird die Gewalt häufig mit ihren Konsequenzen konfrontiert. Töten führt zu Verlust, Verlust führt zu Schmerz und der Schmerz führt zu Rache, die wieder in Töten mündet. Zugleich erscheint das Töten als eine Notwendigkeit des Überlebens, erscheint also als unvermeidbar, was dem Höhlenmenschen in eine moralische Not führt, die er anders als seine Saurierfreundin durchaus erkennen kann. Verluste, die aus der Gewalt resultieren, sind nicht mit der nächsten Episode einfach weggewischt, sondern kehren in Form von Trauer und Andenken wieder. Damit dieses Spiel aus Überlebenskampf und Verlust funktioniert, bleibt es nicht aus, dass Tiere in Primal eine Vermenschlichung erfahren, gut zu erkennen an der Saurierprotagonistin. Auch Mammuts, die Spuren durch den Schnee folgen, um Vergeltung zu üben, zeigen eher menschliche Züge als tierische.
Der Überlebenskampf und das drohende Heraufziehen eines solchen nehmen in Primal viel Erzählzeit ein. Dennoch finden sich regelmäßig ruhige Passagen, in denen die Figuren und die Welt ausgestaltet werden oder in denen einfache Schönheiten Lichtblicke ermöglichen, wie etwa der Einzug des Mensch-Saurier-Duos in eine friedliche Lagune, in der sie zur Ruhe kommen. In solchen Momenten sorgen die charakterlichen Unterschiede und kommunikativen Missverständnisse zwischen Höhlenmensch und Dinosaurierin für ein wenig Humor — selten hält der Frieden jedoch lange an.
Primal umfasst derzeit eine Staffel, die in Deutschland in zwei Teilen à fünf Episoden als Video-on-Demand erhältlich ist. Ursprünglich wurde die Animationsserie für den US-amerikanischen Fernsehsender Adult Swim produziert und dort bereits 2019 gezeigt. Eine zweite Staffel ist bereits bestätigt. Erstmals im deutschen Fernsehen ausgestrahlt wurde Primal auf TNT Comedy, der erste Teil in September und Oktober 2020, der zweite Teil im April 2021. Hinter der Serie steht Drehbuchautor und Regisseur Genndy Tartakovsky, der unter anderem für die Inszenierung der Hotel-Transylvania -Filme und sowie die Neuauflage seiner Serie Samurai Jack bekannt ist.
Fazit: Prähistorischer Überlebenskampf at its best
Primal inszeniert vor einer urzeitlichen Kulisse mit phantastischen Einsprengseln einen ewig währenden Überlebenskampf, der spannend, erstaunlich abwechslungsreich und zugleich bewegend bleibt, da die Serie auf eine gute Mischung aus blutig inszenierter Gewaltdarstellung und ruhigen Passagen setzt, sodass die Exzesse selten verflachen, stattdessen glaubhaft in die geschilderte Welt eingebettet werden und so zur existenzialistischen Dynamik des Erzählten beitragen.
Trailer zu Primal
Infokasten
„Primal“, Staffel 1
Schöpfer: Genndy Tartakovsky
Regie: Genndy Tartakovsky
Drehbuch: Genndy Tartakovsky, Darrick Bachman, David Krentz, Bryan Andrews, Don Shank, Nagisa Koyama
Laufzeit: 22 Minuten / 1 Staffel, zweiteilig à 5 Folgen
Produzent: Cartoon Network Studios, MGM Television, Williams Street
Verleih: TNT Comedy (Fernsehausstrahlung)
USA | 2019
Veröffentlichung in Deutschland: September 2020 (Teil 1), April 2021 (Teil 2) via Fernsehausstrahlung und Video-on-Demand
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André Vollmer
Schriftsteller. Forscher. Phantast. Am Meer geboren. Gründer von Mellowdramatix.