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Film

„Green Room“ von Jeremy Saulnier

Filmplakat (Ausschnitt) Filmplakat (Ausschnitt)
Aus der Hölle gibt es keinen Ausweg.

Ein „Green Room“ ist ein Raum, in dem Bands oder andere Künstler sich auf einen Auftritt vorbereiten. Der titelgebende Raum wird zu einer Todesfalle für die tourenden Hardcore-Punker „The Ain’t Rights“, als diese in einem abgelegenen Club in Oregon aufspielen. Nicht genug, dass der Ort von amerikanischen Neo-Nazis wimmelt, die Mitglieder der Band werden auch Zeuge davon, dass im Green Room eine junge Frau erschossen wird. Der Green Room wird zu einem Gefängnis, denn es gibt nur einen Weg raus und hinter der Tür lauern Nazis, die darauf warten, die Bandmitglieder aus dem Weg zu räumen. Ebenfalls im Green Room eingesperrt, ist Amber (Imogen Poots), die eigentlich zu den Leuten aus dem Club gehört, doch nun ebenfalls in Lebensgefahr schwebt. Unterdessen wird Darcy (Patrick Stewart) informiert, ein niederträchtiger Mann ohne Gewissen und Anführer des lokalen Naziclubs. Unter den Neonazis hat er eine Organisationsstruktur geschaffen, die auf Respekt und Vertrauen basiert und ihm Befehlsgewalt über alle anderen gibt.

Sam (Alia Shawkat), Pat (Anton Yelchin), Tiger (Callum Turner) und Reece (Joe Cole) sind die Bandmitglieder von „The Ain’t Rights“. Ihr Weg zu leben hält die Band auf der Straße, schwört die Gruppe wie eine Einheit zusammen, die in ihrem Van durch die USA reist, von einem Gig zum nächsten. Ein einleitendes Interview erklärt, dass es den Musikern nicht darum geht, viel Geld zu verdienen, sondern einfach die Energie ihrer Musik in die Welt zu bringen. Daher gibt es kein Social Media bei „The Ain’t Rights“, man will ehrlich bleiben und nicht die eigene Identität verlieren. Die vier jungen Musiker wirken glücklich, haben sich von fast allen Fesseln des Kapitalismus befreit und leben ihren gemeinsamen Traum. Sie lassen sich nicht gern reinreden und konfrontieren zudem gern. Einige unglückliche Verstrickungen verschlagen die Band in den abgelegenen Nazischuppen. Die vier Freunde haben kein gutes Gefühl, brauchen aber die Gage, um überhaupt wieder wegkommen zu können, da macht man halt das Beste aus der Situation und steigt in den Auftritt mit einem Song über verblödete Nazi-Punks ein, der beim Publikum nicht auf Gegenliebe stößt. Die Szene verdeutlicht, wie gefährlich dünn das sprichwörtliche Eis ist, auf dem „The Ain’t Rights“ stehen. Ab dem zweiten Song wird aus Selbstschutz zurückgerudert und das Set beendet.

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Als die Band in den Green Room zurückkehrt, liegt dort eine tote Frau auf dem Boden. Das Blut verteilt sich über den Teppich und die Band wird dort von Gabe (Macon Blair) festgesetzt. Gabe ist einer der Handlanger von Darcy, in einer Beziehung, die auf Befehlen und ihrer Ausführung basiert. Darcy schmiedet Pläne um „The Ain’t Rights“ aus dem Raum zu locken, doch die jungen Musiker sind nicht dumm und auch nicht so grün hinter den Ohren, wie man erwarten könnte. Die Bühne ist geschaffen.

GreenRoom1Jeremy Saulnier lädt zu einem Kammerspiel in der Hölle. Enge Szenarien sind ein Markenzeichen des Regisseurs. Seiner bisherigen Werke Murder Party und Blue Ruin illustrierten bereits, dass der junge Regisseur sowohl mit schwarzem Humor und Gesellschaftskritik als auch mit Rachegeschichten umgehen kann. In Green Room verdichtet sich das Szenario zunehmend. Die Band ist GreenRoom2zunächst auf der Straße und lebt die Freiheit, dann werden sie an einen unbehaglichen Ort gebunden, um final in einem Raum auf ihren Tod zu warten. Die Ausgangslage könnte kaum angespannter sein. Auch Darcy und seine Leute haben vieles zu verlieren, sollte ein Zeuge des Mordes die Polizei erreichen, denn in dieser Enklave der Nazis wird mit Waffen und Drogen gehandelt, Geld gewaschen und noch einiges mehr, was mit den Gesetzen kollidiert.

Green Room erzählt die Geschichte einer Band und einer Nacht in der von Menschenhand geschaffenen Hölle. Das Szenario schnürt einem die Atemwege zu, mit jedem Moment steigt die Spannung, bis hin zum letzten Moment einer kathartischen Konfrontation der beiden Parteien. Dabei ist das Finale angenehm ruhig gehalten, wodurch die Anspannung bis zum letzten, fast schon humoristischen, Moment des Films im Raum verbleibt. Eine klare Empfehlung an Fans von anspruchsvollen Thrillern, mit starken Figuren und einem guten Drehbuch. Green Room erscheint am 04.10.2016 ungekürzt auf DVD, Blu-ray und Video on Demand. (syno nyhm)

 

Ein Nachwort zu Anton Yelchin

GreenRoom3Hauptdarsteller Anton Yelchin wurde gerade einmal 27 Jahre alt. Er starb am 19. Juni 2016 und ist den meisten wohl als Chekov aus dem „Star Trek“-Reboot bekannt. Green Room unterstreicht, was für einen großartigen Schauspieler die Welt an diesem Tag verloren hat. Dieser Film zeigt, ähnlich wie Odd Thomas, das Yelchin das Potential zu einem der ganz großen Darsteller hatte, der vielleicht nicht die Ausstrahlung eines Stars, aber doch das Können besaß, um es nach ganz oben zu schaffen. Das Erscheinen von Green Room ruft unweigerlich ins Gedächtnis, dass Anton Yelchin im Juni bei einem Unfall ums Leben kam. Anton Yelchin ist gegangen, seine Werke bleiben, es ist müßig sich zu fragen, was wäre möglich gewesen. Yelchin war nicht das, worauf er von vielen als Chekov reduziert wurde, sondern viel mehr: Ein großartiger Charakterdarsteller, der die filmische Herausforderung über den finanziellen Ertrag eines Projektes stellte.

Trailer zu Green Room

Letzte Änderung amDienstag, 05 September 2017 14:25
syno nyhm

„Syno ist irgendwann hier aufgetaucht und seit dem nicht mehr weggegangen.“

– Edward

syno hat das Bloggen bemerkt. Da er das Jonglieren mit Medien liebt, ist das für ihn genau die richtige Freizeitaktivität. Durch einen Bachelor in Multimedia Production bringt er so manches an Vorwissen mit. Vor Kurzem beendete er erfolgreich das Masterstudium der Medienwissenschaft an der Humboldt-Universität zu Berlin. Seine Schwerpunkte sieht er im Bereich Horror, Film, Videospiel und Miniaturen, wildert jedoch ohne große Scheu auch in anderen Rubriken. Sein persönlicher Liebling ist die Kategorie Wissen, für dessen Aufzucht er zuständig ist.

Twitter: @synonyhm      Facebook: syno nyhm

Unter anderem auch das . . .

„A belief in a supernatural source of evil is not necessary. Man alone is quite capable of every wickedness.“

– Joseph Conrad

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