Aufstand, Umsturz, Unterdrückung: „New Order“ (Horror for Future #8)
- geschrieben von Thomas Heuer
- Publiziert in Film
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In einer nahen Zukunft erhebt sich die arme Bevölkerung Mexikos gegen die Wohlhabenden und das derzeitige politische System. Die Folge ist ein Militärregime.
Horror for Future: Rezension
Es beginnt als ein Bilderrausch. Grüne Farbe wird zum Zeichen des Umsturzes. Wasser und Farbe laufen Stufen hinab. Eine nackte Frau steht in Ruinen. Die Kamera schwenkt über getötete Zivilisten. Ein Bild von Grausamkeit und Schrecken. Es herrscht Krieg in den Straßen von Mexikostadt.
Andernorts feiert eine wohlhabende Familie die Hochzeit der ältesten Tochter Marianne (Naian González Norvid). Einflussreiche Politiker und das Who-Is-Who der High Society gibt sich hier die Klinke in die Hand. Damit die Feier reibungslos ablaufen kann, werden viele Bedienstete auf der Feier beschäftigt. Vor dem Gebäude reihen sich schwarze Limousinen und SUVs auf, einige davon haben grüne Farbflecken. Das Sicherheitspersonal der Reichen scheint in Alarmbereitschaft zu sein. Plötzlich tauchen auf der Feier bewaffnete Menschen auf. Als dann die Bediensteten ebenfalls zu Waffen greifen und die Feiergesellschaft als Geiseln nimmt, ist dies erst der Beginn einer langen Zeit des Schreckens. Marianne gerät in Gefangenschaft und ihre Entführer planen den Vater zu erpressen. Derweil schlägt das Militär den Aufstand nieder und errichtet eine Militärdiktatur.
In New Order zeichnet Regisseur und Drehbuchautor Michel Franco eine dystopische Zukunftsvision. Nachdem die Bevölkerung sich gegen die Regierung erhoben hat, profitieren vornehmlich die Menschen, die ohnehin bereits reich und/oder mächtig gewesen sind. Macht drückt sich im späteren Verlauf des Werkes immer wieder durch direkt zugefügte Gewalt aus. Wer eine Waffe besitzt, besitzt Macht über andere. Wer das Geld besitzt, um sich bewachen zu lassen, erhält Schutz. Wer die richtigen Leute kennt, braucht nichts zu befürchten.
New Order verlangt seinem Publikum einiges ab. Die wirklichkeitsnahe Schreckensinszenierung spielt das Szenario bis zum bitteren Ende durch. In diesem Werk gibt es für die handlungsführenden Personen keine Hoffnung auf ein Happy End. Anhand mehrerer Erzählstränge wird die Geschichte einzelner Personen fortgesetzt, die alle auf der Hochzeitsfeier gewesen sind. Das Erzählte überschreitet mehrfach die Grenze ins Extreme und öffnet den niedersten Trieben und Bedürfnissen der inszenierten Figuren Tür und Tor. Solange man die Macht besitzt, ist alles möglich. Zumindest so lange, bis jemand anderes kommt, der noch mehr Macht besitzt.
Regisseur und Drehbuchautor Michel Franco liefert mit New Order einen der heftigsten und besten Filme des Jahres ab. Emotional packend zeichnet das Werk den Wandel von Aufstand zu geglaubter Freiheit und anschließender Unterdrückung, die aus einem Kollabieren der Demokratie entstehen könnte. Aufgrund seiner kompromisslosen und komplett kitschfreien Inszenierung ist New Order äußerst fordernd, aber auch absolut sehenswert.
Infokasten
„New Order – Die neue Weltordnung“ (OT: „Nuevo Orden“)
Regie: Michel Franco
Drehbuch: Michel Franco
Produktion: Les Films d’Ici, Teorema Films
Verleih: Ascot Elite
Laufzeit: 86 Minuten (uncut)
Mexiko, Frankreich | 2020
Veröffentlichung: Ab dem 19.11.2021 auf DVD, Blu-ray-Disc und als Video-on-Demand im Handel erhältlich.
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Thomas Heuer
Dr. phil. Medienwissenschaft
Forscher, Fotograf, Filmemacher, Journalist, Gamer
Forschungsfelder: Immersionsmedien, Horror, vergleichende Mediendramaturgien, Game Studies, Medienethik und -philosophie
Abschlüsse: Medienwissenschaft M. A., Multimedia Production B. A., Facharbeiter Kommunikationselektronik