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Film

„Der Hobbit“ – Was habe ich da in meiner Tasche?

Filmplakat (Ausschnitt) Filmplakat (Ausschnitt)

Peter Jacksons Verfilmung von J.R.R. Tolkiens Der Hobbit ist bis auf wenige Schlüsselszenen eine herbe Enttäuschung. Statt Originaltreue gibt es Action und Effekte.

Rezension

Hob-IntroIm Portemonnaie ist nach der Kinokasse deutlich mehr Luft und in Peter Jacksons Tasche ist deutlich mehr Geld. Dieser lädt erneut zum Fantasy-Spektakel. Nach Der Herr der Ringe nahm er sich nun die Vorgeschichte Der Hobbit (in manchen Übersetzungen auch Der kleine Hobbit) vor und bringt diese nun auf die Leinwände der Welt. Die ersten Trailer lieferten bereits einen Eindruck der opulenten Kostümierung und Landschaften, ebenso wie kurze Ausschnitte aus den wohl beeindruckendsten Momenten der ersten 100 Seiten des Buches. In einer neuen Framerate von 48 Bildern pro Sekunde, statt der üblichen 24 und in „State-of-the-Art-3D“ gibt es nun gleich drei Teile als optischen Leckerbissen für alle Fans der Tolkien-Bücher und Jackson-Filme. Aber was zunächst gut klingt, hat jedoch einige Schwächen.

Ist es notwendig ein etwa 300 Seiten starkes Buch in drei Filme zu verpacken, die jeweils mit eine Länge von etwa drei Stunden zu Buche schlagen? Als die Hobbit-Verfilmung angekündigt wurde, hieß es zunächst, dass es zwei Filme geben würde, irgendwann wurde es zu zwei 3D-Filmen, dann wurden daraus im Sommer plötzlich drei und nun wird es auch noch einen Extended-Cut auf DVD, Blu-ray-Disc und 3D-Blu-ray geben. Der Hobbit: Eine unerwartete Reise liefert nun also den Auftakt zum langerwarteten Fantasy-Epos. Dabei sollte man nicht davon ausgehen, dass die Geschichte von J.R.R. Tolkien wirklich das einzige ist, was gezeigt wird. Vielmehr ist es so, dass die Handlung ein grobes Konzept für einen Film liefert, der andere filmisch-dramaturgische Plotpunkte setzt. So werden in der Reisegruppe um Thorin Eichenschild viele zusätzliche Konflikte zwischen dem Anführer der Zwerge, Gandalf und Bilbo Beutlin eingefügt, um eine opulentere Form des Gruppenzusammenhalts zu inszenieren. Dagegen spricht grundsätzlich nichts, allerdings misslingt es dem von Peter Jackson ausgedeuteten dramaturgischen Bogen der Geschichte deutlich diesen Effekt zu erzielen. Leider kann man sagen, denn die ersten 30 Minuten des Filmes sind so stimmungsvoll und großartig inszeniert, wie es nur bei Bilbos Begegnung mit Gollum erneut gelingt.

Hob-1Zunächst werden wir Zeugen des alten Bilbo, der kurz vor seinem 111. Geburtstag beginnt, die Geschichte „There and Back Again“ für seinen Adoptivsohn Frodo niederzuschreiben. Was mit einer opulenten Verortung der Geschehnisse um den Einsamen Berg beginnt, bei der Smaugs Angriff auf das Zwergenkönigreich effektvoll und bildgewaltig inszeniert wird, geht anschließend über in die ersten Sätze des Originaltexts aus Tolkiens Buch. Es folgen sehr dicht am Buch erzählte und für den Zuschauer sehr attraktiv inszenierte Bilder der Ankunft der Zwerge, die auch den einen oder anderen Lacher oder Gänsehautmoment erzeugen. Zu diesem Zeitpunkt waren meine Zweifel an dem Film und der zweifellosen Kommerzialisierung des Themas vergessen und der Film zog mich in seinen Bann. Dann folgt allerdings die Reise, bei der einige Elemente hinzugefügt wurden, die aus dem dramaturgischen Kontext des Filmes zwar einen Sinn ergeben, jedoch für die Geschichte vollkommen überflüssig sind. Hinzukommt, dass die 3D-Bilder bei schnellen Schwenks sehr stark verschwimmen und man nach maximal 90 Minuten unter starken Kopfschmerzen leidet. Bei der Reise gibt es immer wieder Kämpfe und recht belanglose Gespräche, bis dann meine persönliche Lieblingsszene aus dem Buch auf der Bildwand erscheint. Die drei Trolle sind wunderbar inszeniert, führen zunächst gar einen Dialog, der sehr dicht an Tolkiens geschickt eingesetzter Eloquenz im Buch angesiedelt ist. Dabei werden die Trolle ähnlich inszeniert wie Die Drei Stooges, was für das ein oder andere Schmunzeln sorgt. Allerdings verflacht die Szene deutlich, nachdem die Zwerge die Trolle angreifen und sich kurze Zeit später als Nahrung für die Trolle wiederfinden. Insgesamt fällt diese Szene leider zu kurz aus, dafür gibt es aber unzählige Kämpfe gegen einen weißen Ork und dessen Schergen, die es so nur für die filmische Dramaturgie gibt. Dadurch wirkt der Film überhastet und dennoch übermäßig verlängert zugleich. Die Charaktere entfalten sich nicht allzu sehr nach dem gelungenen Anfang und viele der Zwerge verkommen zu einfachen Statisten.

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In Bruchtal bekommt man dann eins der wenigen schauspielerischen Highlights geboten, wenn Elrond (Hugo Weaving), Saruman (Christopher Lee) und Galadriel (Kate Blanchet) eine Diskussion mit Gandalf (Ian McKellen) führen. Nach einer gefühlten Ewigkeit mit Action und vielen Enthauptungen gibt es eine charakterorientierte Szene, die man auch als einen Lichtblick in diesem Film deuten kann. Die Handlung wird allerdings deutlich mehr zu einer aufkeimenden Bedrohung durch Sauron ausgedeutet. So wird man beispielsweise Zeuge davon, wie der Hexenkönig von Angmar (Anführer der Ringgeister) gegen Radagast den Braunen kämpft, in einer Szene, die mir aus dem Buch nicht bekannt ist. Dieser Aspekt gehört wohl zur künstlerischen Freiheit des Regisseurs, überzeugt jedoch nicht wirklich.

Hob-2Die weitere Reise nach Ork-Stadt wird durch viele Effekte und überflüssige Actionelemente verlängert. Bis dann endlich das Treffen zwischen Bilbo und Gollum stattfindet, hat der Film problemlos die Zwei-Stunden-Marke durchbrochen und liefert in dieser Szene ein weiteres Highlight. Auch dieses fällt im Vergleich zum Buch kürzer aus, auch wenn das Rätselspiel zwischen den Charakteren stattfindet. Gollum wird bewusst gefährlich und bedrohlich dargestellt und endet verloren in der Orkhöhle ohne seinen Ring. Anschließend folgt noch weitere übertriebene Actionszene mit verschiedenen Veränderungen im Erzählbogen, um Bilbo mehr in das Zentrum der Geschichte zu stellen. Nach einer misslungenen Szene voller Pathos fliegen die Reisenden mit den Riesenadlern gen Sicherheit. Dann endet der Film mit einer Szene, in der die alte Drossel zum einsamen Berg zurückkehrt und gegen die Geheimtür klopft, davon erwacht der lange schlafende Smaug. So endet der erste Teil des Films, und an dieser Stelle kann ich nur sagen: endlich!

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Die Geschichte ist vollkommen nachrangig und verliert sich in dem Effekt- und Actionfeuerwerk. Zugegeben, die Ausstattung des Filmes ist beeindruckend und überzeugt auf ganzer Linie, nur leider sind die Darsteller in dieser Welt zu großem Teil nicht überzeugend.

Allerdings macht Der Hobbit nicht alles falsch. Wie kein anderer Film führt dieser einem radikal und schmerzhaft die Grenzen der modernen 3D-Technik vor Augen, beziehungsweise hämmert diese brutal in den Kopf. Dabei entstehen Kopfschmerzen, die nach fast drei Stunden Filmlänge wirklich gewaltig sind und man froh ist, dass der Bildersturm ein Ende gefunden hat. Neben mir verlassen auch viele andere Besucher den Kinosaal mit deutlich enttäuschten Gesichtern. Man hatte mehr erwartet, oder etwa nicht? Was man bekommen hat, ist eine unerfreuliche Seherfahrung vor einem Tolkien-inspirierten Film, den die Welt nicht braucht.

Für mich ist Der Hobbit: Eine unerwartete Reise eine Enttäuschung. Man hat lange auf diesen Film gewartet und wird dann auch mit viel Filmmaterial belohnt, zumindest wenn einem hohle Szenen gefallen, die nur auf Effekte Wert legen und keinen dramaturgischen Einfluss besitzen. Wer sich die Kopfschmerzen (und eine Menge Geld) sparen will, sieht sich den Film nicht in 3D an, denn die Technik wird im Film eigentlich nur peripher genutzt. Die Bilder nutzen nicht den gegebenen Raum und die damit verbundene Attraktion dieser Technik aus. Wer sich eine bittere Enttäuschung sparen will und dabei einiges an Geld, der sieht sich den Film erst im Heimkino an oder besser gar nicht. Als großer Fan des Buches fühle ich mich von Peter Jacksons Film finanziell ausgeweidet und betrogen. Wer die unerwartete Reise dennoch begehen will, bekommt einen mittelmäßigen Film mit einigen beachtlichen Effekten und viel Bla, Bla. Das hatte ich nach dem großartigen Anfang nicht erwartet und wurde vermutlich dadurch umso mehr enttäuscht.

Letzte Änderung amSonntag, 28 Juni 2020 07:38
syno nyhm

„Syno ist irgendwann hier aufgetaucht und seit dem nicht mehr weggegangen.“

– Edward

syno hat das Bloggen bemerkt. Da er das Jonglieren mit Medien liebt, ist das für ihn genau die richtige Freizeitaktivität. Durch einen Bachelor in Multimedia Production bringt er so manches an Vorwissen mit. Vor Kurzem beendete er erfolgreich das Masterstudium der Medienwissenschaft an der Humboldt-Universität zu Berlin. Seine Schwerpunkte sieht er im Bereich Horror, Film, Videospiel und Miniaturen, wildert jedoch ohne große Scheu auch in anderen Rubriken. Sein persönlicher Liebling ist die Kategorie Wissen, für dessen Aufzucht er zuständig ist.

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Unter anderem auch das . . .

„Das Recht zur Kritik ist, sozusagen, ein ästhetisches Naturrecht.“

– Hugo Dinger: Dramaturgie als Wissenschaft. Bd. 1. Leipzig 1904, S. 318.

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