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Brett- & Kartenspiele

Wusel, Wusel: „Tapeworm“ von Edmund McMillen

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Das familienfreundliche Kartenspiel Tapeworm ist schnell erlernt, jedes Mal anders, skurril-niedlich und überaus spaßig. Dadurch ist Tapeworm immer wieder gut.

Immer wieder gut: Rezensionen zu Brett- und Kartenspielen

Edmund McMillen ist vielen Enthusiasten von Videospielen ein Begriff. The Binding of Isaac aus dem Jahr 2011 sorgte für erste große Aufmerksamkeit für Gamedesigner und Künstler Edmund McMillen. Bereits ein Jahr zuvor hat er sich bei Fans von extremen Jump’n’Runs mit Super Meat Boy einen exzellenten Ruf erarbeitet. Spätestens mit The Binding of Isaac: Rebirth, dem Remake zu the Binding of Isaac, im Jahr 2014 hat Edmund McMillen den Olymp der Indie-Videospielentwickler bestiegen. Dieser Durchbruch ist auch darin begründet, dass The Binding of Isaac: Rebirth als ein monatliches Spiel im „Playstation Plus“-Abo für Sonys Playstation 4 enthalten war, als es veröffentlicht wurde. Alle seine bekannten Spiele zeichnen sich durch zwei Faktoren besonders aus. Zum einen sind die Spielmechaniken leicht zu erlernen, durch einen hohen Schwierigkeitsgrad bleibt das Spiel allerdings immer anspruchsvoll, und zum anderen durch einen speziellen, charakteristischen Artstyle.

TW CutMit Tapeworm erscheint 2021 ein analoges Kartenspiel, das extrem einfache Spielregeln besitzt. Spielende versuchen vier unterschiedliche Bandwürmer zu verlängern und dabei die eigenen Handkarten abzulegen. Wer als erstes keine Karten mehr auf der Hand hat, gewinnt. Karten wird man los, indem man die darauf abgebildeten Wurmstücke an das Wurmknäuel auf dem Tisch anlegt. Dabei darf man beliebig viele Karten derselben Wurmfarbe anlegen, solange dies möglich ist. Gelingt es jemandem einen „Ringwurm“ zu komplettieren – das ist ein Wurm, der einen Kreis bildet – darf man zusätzlich zwei Karten aus der eigenen Hand abwerfen. Ansonsten gibt es nur wenige Spielregeln, die direkt durch Karten ausgelöst werden. So kann man „Graben“, „Tauschen“, „Hellsicht“ verwenden oder „Brüten“. Diese vier Optionen gibt es in den Varianten „einfach“ bei Karten mit weißem, pinken und rotem Bandwurm oder „doppelt“ bei Karten mit dem schwarzen Bandwurm. „Graben“ bedeutet, dass eine Karte vom Nachziehstapel gezogen wird und anschließend eine beliebige Karte aus der eigenen Hand abgelegt wird. „Tauschen“ ermöglich es einem Spielenden die Kartenhand eines anderen Mitspielenden einzusehen und dann zu entscheiden, ob man eine Karte aus der eigenen Hand mit einer aus der Hand der anderen Person tauschen möchte. „Hellsicht“ funktioniert wie „Graben“, mit dem Unterschied, dass die Karte nicht abgelegt, sondern oben auf den Nachziehstapel gelegt wird. Da zu Beginn eines Spielzuges die oberste Karte vom Nachziehstapel gezogen wird, kann man so einem Mitspielenden eine Karte zuspielen. Beim „Brüten“ legt ein abgeschlossener Wurm ein Ei, wodurch der Spielende, der diese Karte gelegt hat, entscheiden darf, welcher Mitspielende eine zusätzliche Karte vom Nachziehstapel nehmen muss. Bei Karten mit schwarzen Würmern verdoppeln sich diese Effekte jeweils. Der schwarze Wurm ist zu Beginn des Spiels nicht im Wurmknäuel enthalten und somit schwieriger ins Spiel zu bringen. Dafür benötigt man ein Karte die eine Wurmfarbe mit einem schwarzen Wurmstück verbindet. Dann gibt es noch eine breite Palette von Schneidwerkzeugen, mit denen Würmer abgetrennt werden können. Anschließend darf man Wurmkarten der entsprechenden Farbe weiterhin platzieren und dort anlegen, wo das Wurmknäuel geschnitten wurde. Alle abgeschnittenen Karten werden abgelegt.

TW Ringworm

Die Grundregeln von Tapeworm sind sehr leicht zu erlernen. Nach wenigen Spielrunden hat man diese verinnerlicht und die wirkliche Qualität von Tapeworm wird offenbar. Das Spiel ist jedes Mal anders und neben dem Glücksfaktor – welche Karte zieht man und was legen die anderen Mitspielenden – entscheiden vor allem strategisches Denken und taktisches Geschick über Sieg und Niederlage. Dadurch bleibt Tapeworm auch nach unzähligen Spielen kurzweilig und spannend. Das liegt auch mit am kunstvollen Design des Spiels, denn die Würmer sind abgedreht, schrullig und niedlich; jeder der vier Würmer ist auf seine Weise liebenswert und findet sicher seine Fans.

Edmund McMillen gelingt es hier erneut etwas eigentlich Ekliges mit Niedlichkeit zu kombinieren und daraus etwas liebenswertes zu erschaffen. In diesem Fall sind es Bandwürmer, die man im wirklichen Leben absolut nicht haben möchte. Etwas Ähnliches findet sich bei Super Meat Boy, wo der Protagonist ein rohes, blutiges Stück Fleisch ist, das durch die Art der Inszenierung positiv auf Spielende wirkt. Das hat etwas Groteskes, denn McMillen erzeugt einen Bruch, indem er scheinbar unvereinbare Dinge kombiniert, indem er diese Welten radikal kollidieren lässt. Dadurch entsteht eben dieser ganz besondere künstlerische Stil, der Edmund McMillens Werken einen zusätzlichen Reiz verleiht.

Mit Tapeworm hat Edmund McMillen ein exzellentes Gesellschaftsspiel geschaffen, das für Jung und Alt gleichermaßen geeignet ist und im Kern genau das erfüllt, was unserer Brett- und Kartenspiel-Rubrik ihren Namen eingebracht hat: immer wieder gut.

Tapeworm 1

Infokasten

„Tapeworm“

Spieldesign: Edmund McMillen

Illustrationen: Krystal Fleming

Produktion: Studio 71 Games, Danielle McMillen, Javon Frazier, Kickstarter Kampagne

Verlag: gpi

USA | 2020

Veröffentlichung: Die Veröffentlichung ist für 2021 geplant.

Bildrechte: Die Bilder dieses Artikels sind Ausschnitte aus dem besprochenen Medieninhalt. Deren Rechteinhaber können Sie dieser Infobox entnehmen.

Letzte Änderung amSonntag, 23 Mai 2021 20:58
Thomas Heuer

Dr. phil. Medienwissenschaft

Forscher, Fotograf, Filmemacher, Journalist, Gamer

Forschungsfelder: Immersionsmedien, Horror, vergleichende Mediendramaturgien, Game Studies, Medienethik und -philosophie

Abschlüsse: Medienwissenschaft M. A., Multimedia Production B. A., Facharbeiter Kommunikationselektronik

Unter anderem auch das . . .

„Die Normalsten sind die Kränkesten. Und die Kranken sind die Gesündesten. Das klingt geistreich oder vielleicht zugespitzt. Aber es ist mir ganz ernst damit, es ist nicht eine witzige Formel. Der Mensch, der krank ist, der zeigt, daß bei ihm gewisse menschliche Dinge noch nicht so unterdrückt sind, daß sie in Konflikt kommen mit den Mustern der Kultur und daß sie dadurch, durch diese Friktion, Symptome erzeugen. […] sehr viele Menschen, das heißt, die Normalen, sind so angepaßt, die haben so alles, was ihr eigen ist, verlassen, die sind so entfremdet, so instrumente-, so roboterhaft geworden, daß sie schon gar keinen Konflikt mehr empfinden.“

– Erich Fromm

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