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Besprechungen

„Candyman“ (2021) – Zeitgemäße Rückkehr des Hakenhandmörders

Collage aus Filmszenen Universal Pictures, Metro-Goldwyn-Mayer (MGM), BRON Studios, Monkeypaw Collage aus Filmszenen

Mit einer Verbeugung vor dem Mythos aktualisiert der neue Candyman ebendiesen. Ästhetisch treffsicher, anspielungsreich und raffiniert erzählt. Großes Kino!

Besprechung | Interpretation (Skizze mit Spoilern)

Anthony McCoy ist ein aufstrebender Maler (gespielt von Yahya Abdul-Mateen II). Leider hat er schon länger nichts mehr auf die Leinwand gebracht. Als er es wieder versucht, ist Galerist Clive Privler (Brian King), bei dem er ausstellen kann, nicht überzeugt. Auf Anthonys Erläuterungen seines Werkes, das sich mit der Geschichte des Schwarzseins in den USA beschäftigt, erwidert Clive nur, dass der Maler noch weitergehen und tiefer in seine persönliche Geschichte eintauchen solle. Das nimmt Anthony zum Anlass, die urbane Legende des Candyman zu erforschen, auf die er zufällig gestoßen ist. Auf Motivsuche streift er durch das verlassene Wohnungsprojekt Cabrini-Green, das mit der Großstadtlegende verbunden ist. Hier soll sich früher – das erzählt man ihm im Waschcenter vor Ort – ein schwarzer Mann mit Hakenhand (Tony Todd) versteckt haben. Dieser Mann sei von der Polizei verdächtigt worden, mit Rasierklingen präparierte Bonbons im Viertel verteilt zu haben. Als die Polizisten ihn aufspürten, prügelten sie ihn zu Tode. Kurze Zeit später tauchten wieder Bonbons mit Rasiermesserklingen auf. Der Mann war offenbar unschuldig. Doch sein Geist soll nach der Bluttat keine Ruhe gefunden haben. Wer fünfmal vor einem Spiegel seinen Namen sagt, den wird er heimsuchen und töten. Anthony, dem seine Recherchen eine manische Kreativität bescheren, ist wie besessen von dem Candyman und macht den Killerdämon mit der Hakenhand zum Kern seiner neuen Arbeiten. Mit Kunstwerken, die ihren Betrachter auffordern, die Candyman-Beschwörungsformel aufzusagen, trägt Anthony den Mythos mittenhinein in die Kunstszene Chicagos. Schließlich spricht er in seinem Übermut die Beschwörungsformel selbst aus.

Der Horrorfilm Candyman ist eine intensive Mischung aus Psychothriller und Slasher, die den ikonischen Hakenhandkiller aus den 90ern neuinszeniert, und zwar in einer Weise, die unter die Haut geht. Soundtrack und Bildgestaltung machen von Anfang klar: dies wird eine düstere Erfahrung. Zugleich wartet der Film mit einem überwiegend schwarzen Figurenensemble auf, das den übernatürlichen Schrecken in der urbanen Realität verankert. Über weite Teile ist Anthony die handlungsführende Hauptfigur, zuletzt wird es sehr überraschend seine Lebenspartnerin Brianna Cartwright (Teyonah Parris), die ihm in den Abgrund seines Wahnsinns nachsteigt. Neben dem sich manifestierenden Schrecken des Candyman geht es viel um das Verhältnis von schwarzen und weißen Menschen innerhalb der US-amerikanischen Gesellschaft, aber auch von Galerist*, Künstler* und Kunstkritiker*innen, also um Alltagsrassismus und Gatekeeper-Funktionen, die in dem Film weißen Personen zufallen. Im Fokus steht auch, wie unterschiedlich Schwarze und Weiße mit dem Candyman-Mythos umgehen, nicht ohne kritische Spitzen gegen die Überheblichkeit einer weißen Elite. Im Subtext wird die Frage gestellt, was für eine Persönlichkeit ein Mensch haben muss, um die Candyman-Beschwörungsformel überhaupt auszusprechen. Neben den übernatürlichen stellt der Film den realen Schrecken des strukturellen anti-schwarzen Rassismus in den USA und wird derart zu einem auf ästhetischer Ebene schneidend scharfen Statement gegen diese Form von Rassismus.

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Die Polizei sucht den Verdächtigten mit der Hakenhand in Cabrini-Green.

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Ein Junge spielt das Trauma als Schattentheater nach: Ein Polizist jagt eine schwarze Person.

Bezüge zu Candymans Fluch (1992) und The Forbidden (1985)

Candyman ist unter der Regie von Nia DaCosta entstanden, die auch das Drehbuch geschrieben hat, zusammen mit Win Rosenfeld und Jordan Peele (bekannt für die Horrorfilme Get Out (2017) und US (2019)). Der Horrorfilm ist eine Neuadaption und geht auf den gleichnamigen Film von Bernard Rose aus dem Jahre 1992 zurück (in Deutschland als Candymans Fluch[i] erschienen). Dieser Film wiederum beruht in weiten Teilen auf der Kurzgeschichte The Forbidden (1985) von Phantastik- und Horrorautor Clive Barker, hat aber aus der literarischen Vorlage etwas Neues geschaffen, nämlich die Figur des Candyman in Gestalt einer schwarzen Horrorikone, die sich aufgrund ihres düsteren Charismas von anderen Kultfiguren des Slashers wie Michael Meyers oder Freddy Krueger deutlich abhebt. Der Candyman aus Cliver Barkers Kurzgeschichte hingegen ist noch nicht schwarz und auch nicht das Opfer eines brutalen Rassismus, schlicht weil die Rolle des Candyman in der literarischen Vorlage eine andere ist (mehr dazu in der Besprechung zu The Forbidden).

Nia DaCostas Candyman ist nicht nur eine aktualisierte Neuauflage oder gar ein Remake, der Film ist auch ein raffiniertes Sequel zu dem Horrorkultklassiker von 1992. Zugleich ist der neue Candyman eine Verbeugung sowohl vor Bernards Roses Verfilmung als auch vor Clive Barkers Kurzgeschichte. Das belegen zahlreiche Referenzen, die der Film zu diesen beiden Werken aufmacht, unter anderem die Tatsache, dass das Wesentliche der Handlung von Candymans Fluch komplett als liebevoll inszeniertes Schattentheater miterzählt und innerhalb der Filmhandlung zu einer urbanen Legende wird, so wie im ersten Film der Candyman zunächst nur eine urbane Legende ist. In Candymans Fluch erzählt diese Legende von dem Sohn eines schwarzen Sklaven, der, weil er eine weiße Frau liebte und ein Kind mit ihr zeugte, von ihrem Vater auf abscheuliche Weise gefoltert und getötet wurde. Die Neuadaption dreht den Spieß ironisch um: Diesmal erzählt die urbane Legende von einer weißen Frau namens Helen Lyle – der Hauptfigur aus Candymans Fluch (1992 gespielt von Virginia Madsen) – und berichtet, wie ebendiese Helen verrücktspielte, einen Hund köpfte und diverse Menschen getötet haben soll. Die erwähnte Inszenierung dieser Rekapitulation als Schattentheater, die eine mündliche Wiedergabe durch die Figur Troy Cartwright (Nathan Stewart-Jarrett) bebildert, ist mit einer Hingabe zum Detail durchgeführt, dass, wer Candymans Fluch noch vor Augen hat, die einzelnen Darsteller*innen klar erkennen kann. Zudem ermöglicht dieser Erzählkniff, dass Candyman völlig losgelöst von Candymans Fluch funktioniert, weil alles, was man aus dem früheren Werk wissen muss, mitpräsentiert wird. Wer die besondere ästhetische Wirkung der Neuadaption in ganzem Ausmaß erleben will, das heißt: alle Plot-Twists vollumfänglich genießen, der sollte Candymans Fluch dennoch vorher sichten.

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Anthony recherchiert die Candyman-Legende in Cabrini-Green...

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...und erzählt seiner Freundin Brianna davon, um mit ihr zusammen die Beschwörungsformel auszusprechen. Aber Brianna sträubt sich.

Die Aktualisierung des Candyman-Mythos

Dem neuen Candyman gelingt es den Mythos des legendären Antagonisten mit der Hakenhand zu modernisieren und ihm außerdem den nötigen letzten Schliff zu verleihen, damit er auch 2021 noch bestehen kann, und das, ohne ihn dabei zu verbiegen. Nachgeschliffen wurde zum Beispiel die Logik, die dem Mythos des Candyman innewohnt. Der urbanen Legende nach erscheint der Candyman, um diejenigen zu töten, die seinen Namen fünfmal vor einem Spiegel sagen. Candymans Fluch hält sich nicht konsequent an diese Logik, der neue Film hingegen sehr wohl. Außerdem, wie der Trailer schon zeigt, spielt der Film unentwegt mit dieser Beschwörungsformel, nicht ohne ironische Spitzen gegen das Horrorfilmklischee der eher einfältigen weißen Mädchen, die alles Mögliche aus Langeweile, Arroganz oder als Mutprobe beschwören, Candyman, Bloody Mary, Geister und andere phantastische Wesen, nur um dann von dem Beschworenen effektvoll gekillt zu werden. Dagegen erklärt die Figur Troy Cartwright im aktuellen Candyman souverän, dass Schwarze es nicht nötig hätten, irgendetwas zu beschwören, und distanziert sich von Voodoo, der immer wieder mit schwarzen Menschen in Verbindung gebracht wird. Den ganzen Film hindurch wird gezeigt, wie die Mehrheit der schwarzen Figuren es ablehnt, die Beschwörungsformel auch nur im Ansatz auszusprechen, während es für weiße Figuren durchweg ein lustvolles Erlebnis zu sein scheint: die Herausforderung ihrer Unsterblichkeit, an die sie nur aufgrund ihrer Überheblich- und Selbstgefälligkeit glauben können.

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Ein Graffiti in Cabrini-Green, das womöglich den Candyman zeigt

Kraftvolles Statement gegen Rassismus

1992 war vor allem der Candyman selbst für den Horror verantwortlich, 2021 ist es nicht mehr nur der Candyman. Jetzt sind es auch die Umstände, durch die er entstanden ist: anti-schwarzer Rassismus. Schon in Candymans Fluch war die Entstehungsgeschichte des Dämons, sofern man Candyman als Dämon deuten will, eine grausige. Doch sie spielte für die Motivation des Antagonisten erstaunlicherweise kaum eine Rolle (mehr dazu in der Besprechung zu Candymans Fluch). Doch erst in dem neuesten Candyman-Film ist der Schrecken des Rassismus von Anfang bis Ende des Werkes präsent und nimmt eine wesentliche Rolle ein. Das ist auch bitter nötig, denkt man an Trayvon Martin[ii] und George Floyd[iii] sowie die Menschenrechtsbewegung Black Lives Matter[iv] und ihre Anliegen.

Dennoch geht Candyman nicht mit dem erhobenen Zeigefinger vor, sondern thematisiert Rassismus entweder spielerisch und dabei auch selbstironisch und schwarzhumorig oder aber, wo es um Leben und Tod geht, mit einer Intensität und dramaturgischer Raffinesse, dass ein emotionaler Nachhall entsteht. Entsprechend ist es nur logisch, dass der Film die Hintergrundgeschichte des Candyman zunächst durch eine neue ersetzt, die näher an der Gegenwart ist und in der ein unbescholtener schwarzer Mann mit Hakenhand von einer Horde weißer Polizisten zu Tode geprügelt wird. Später im Handlungsverlauf zeigt sich die eigentliche Raffinesse der Neuadaption. Denn so furchtbar der Tod des unschuldigen Hakenhandmannes auch ist, er ist leider nicht die einzige schwarze Person, die auf diese Weise den Tod gefunden hat, sondern eine von unzähligen.

Diese lange Reihe von rassistisch motivierten Morden hat ihren Anfang mit dem originären Entstehungsmythos des Candyman genommen, der erstmals in Candymans Fluch erzählt und in zwei Fortsetzungen weiterentwickelt wurde. Auch im neuesten Candyman taucht der Mythos in leicht abgewandelter Form wieder auf. In der Neuadaption erzählt er nicht mehr von dem Sohn eines ehemaligen Sklaven, sodass auch die typische Assoziation von schwarzen Menschen mit Sklaverei aufgebrochen wird, sondern nur noch von dem Maler Daniel Robitaille, wie es zuerst der zweite Candyman-Film – Candyman: Farewell to the Flesh (1995) – konkretisiert hat. Robitaille porträtierte vor allem wohlhabende Weiße, bis er sich in die Tochter eines Kunden verliebte. Von hier an nimmt seine Geschichte denselben tragischen Verlauf wie in Candymans Fluch: Er wurde gejagt, gefoltert, verstümmelt und getötet.

Der Abspann von Candyman illustriert die lange Reihe rassistisch motivierter Morde in Gestalt eines Schattentheaters mit weiteren Geschichten wie der obigen. Durch diesen erzählerischen Kniff gelingt es dem Film aufzuzeigen, dass das widerfahrene Leid nicht das tragische Schicksal eines Einzelnen ist, sondern wiederkehrend und damit ein kollektives Leid der schwarzen Community.  Kurzum: Anti-schwarzer Rassismus in den USA ist kein Einzelphänomen, sondern historisch gewachsen und strukturell. Darum ist der Candyman in der Neuadaption kein Individuum mehr, sondern eine symbolische Verkörperung des Traumas, das der Rassismus in der schwarzen Community hinterlassen hat. Möglich wird diese Symbolik nur, weil der Film auch aus der Perspektive ebendieser schwarzen Community erzählt wird, es mit Anthony McCoy also endlich eine schwarze Hauptfigur gibt, die sich dieser urbanen Legende annimmt. Selbstredend kann er als Betroffener eine andere Perspektive einnehmen als Helen Lyle, die das Thema als Weiße betrachtet.

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Der Candyman ist keine Einzelperson. Er ist die Gesamtheit aller Opfer, die anti-schwarzer Rassismus gefordert hat.

Das Weiterzählen des Mythos als Aufklärung

Bei Symbolik bleibt die Neuadaption nicht stehen. Sie greift einen weiteren Aspekt des Candyman-Erzählstoffes auf. Schon in Candymans Fluch ist es dem Dämon äußerst wichtig, dass die Menschen die Geschichten, die man sich über ihn erzählt, glauben. Ohne diese Geschichten und den Glauben an sie kann er nicht existieren. Diese phantastische Logik rührt noch aus Clive Barkers Kurzgeschichte The Forbidden her, in der sie eine andere Funktion erfüllt als in den hier diskutierten Filmen. Sie steht im Konflikt mit dem Entstehungsmythos des Candymans, den wie gesagt erst der Film von 1992 geprägt hat (mehr zu dem Konflikt in der Besprechung zu Candymans Fluch). Diesen Konflikt hebt Nia DaCostas Candyman auf, indem der Film die Notwendigkeit, dass Candymans Geschichte erzählt wird, mit dem Kampf gegen anti-schwarzen Rassismus verknüpft. Erstaunlicherweise war das in Candymans Fluch allenfalls oberflächlich der Fall. In der Neuadaption muss Candymans Mythos nicht mehr nur weitererzählt werden, damit der Dämon fortbestehen kann, sondern auch damit das, wofür er nun symbolisch steht, endlich Teil der Wirklichkeit in den Köpfen der Menschen wird, nämlich dass es zahllos viele rassistische Morde an schwarzen Menschen in der Geschichte der USA gegeben hat und dass dies bis auf den heutigen Tag anhält, etwa in Form von Polizeigewalt. Damit kommt dem Erzählen von Candymans Mythos eine aufklärerische Funktion zu.

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Anthony liegt in seinem Atelier, das von seiner Arbeitswut zeugt. Die Gesichter, die er gemalt hat, sind die Gesichter der Opfer, die der anti-schwarze Rassismus gefordert hat. Ihre Geschichte lebt im Candyman-Mythos weiter.

Candyman wird zum Rachedämon

Darüber hinaus soll das Fortbestehen des Dämons auch für Vergeltung sorgen – zumindest innerhalb der Fiktion. Das Finale der Neuadaption inszeniert deshalb eine blutige Abrechnung mit rassistisch motivierter Polizeigewalt. Es versucht den aufgestauten kollektiven Schmerz, den der Rassismus und seine Folgen verursacht haben, wenigstens für den kurzen Moment des ästhetischen Erlebens durch die Inszenierung eines Gemetzels auszugleichen. Das kann eine kathartische Wirkung entfalten, sofern das Publikum sich darauf einlässt, und erinnert an den bluttriefenden Shootout am Ende von Django Unchained (2012), wo ebenfalls knallhart mit anti-schwarzen Rassisten abgerechnet wird. Stellvertretend für alle Missetäter werden in Django Unchained und Candyman gleichermaßen eine Handvoll antagonistische Figuren dahingerafft, sodass der Welt wenigstens in der Kunst Gerechtigkeit widerfährt. Kunst darf die Moral außer Acht lassen und eine derartige Vergeltung inszenieren, insbesondere der Horrorfilm, da die Gewalt lediglich Figuren betrifft – Figuren, zu denen das Publikum zwar eine emotionale Bindung aufgebaut hat und deren Schmerz es daher mitfühlt, aber eben keine realen Menschen, die tatsächlich leiden und sterben. Trifft die Vergeltung in der Kunst den Falschen, scheitert lediglich das ästhetische Erleben der Katharsis. In der Realität trifft Vergeltung dagegen immer die Falschen.

Deutlich wird also, dass der Candyman in der Neuadaption ein Rachedämon geworden ist. Hingegen in dem Film von 1992 gleicht der Dämon eher einem traumatisierten Serien- und Triebtäter (mehr dazu in der Besprechung zu Candymans Fluch).

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Polizisten nehmen die unschuldige Brianna in Cabrini-Green fest...

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...und der Candyman schreitet ein.

Ausblick und Fazit: Zeitgemäße Inszenierung einer Horrorikone

Über den neuen Candyman ließe sich noch vieles mehr schreiben, etwa über die Aktualisierung der sozialen Milieus. Schwarze Figuren sind jetzt nicht mehr mit Graffiti, Sklaverei und prekären Lebensumständen konnotiert, sondern sie treten als mondäne Städter auf, als Intellektuelle, Künstler* und Akademiker*innen, alles ganz normal und nur in der Rückschau auf Candymans Fluch erwähnenswert, in dem das eher die Ausnahme ist. Es kann nicht genug betont werden, dass sich Candyman nicht in der Thematisierung von anti-schwarzen Rassismus erschöpft, auch wenn dieser sehr zentral ist. Stattdessen geht es beispielsweise auch wie in Candymans Fluch und The Forbidden um Wahnsinn, Obsession und Narzissmus. Die Hauptfigur der Neuauflage, Anthony McCoy, ist durchaus ambivalent angelegt. Gerade ihre Schattenseiten sind es, die sie Candymans Geschichte ergründen lassen.

Vieles mehr ließe sich also schreiben, aber diese Besprechung hat ihren Fokus auf die gelungene Weiterentwicklung des Candyman-Mythos gelegt. Man spürt den ganzen Film hindurch, dass es den Machern wichtig war, erzählerische Makel, die dem Mythos von früher anhaften, abzustreifen und ihn abzurunden, ohne ihn dabei zu etwas zu machen, was nicht von vornherein in ihm angelegt war. Nicht nur das macht Candyman zu einem großartigen und vor allem besonderen Horrorfilm, auch die durchweg stimmige Ästhetik trägt hierzu bei.

Und wer meint, durch diese Besprechung bereits zu viel über die Filmhandlung erfahren zu haben, der ahnt nicht ansatzweise, welche Plot-Twists ihn erwarten.

 

Endnoten

[i] Damit sich die Verfilmung von 1992 (Candyman) sprachlich leichter von der 2021er Adaption des Erzählstoffes (ebenfalls Candyman) unterscheiden lässt, verwende ich hier weiterhin den deutschen Titel Candymans Fluch.

[ii] „Der Todesfall Trayvon Martin ereignete sich am Abend des 26. Februar 2012 in Sanford im US-Bundesstaat Florida, als der 28-jährige Nachbarschaftswachmann und Latino George Zimmerman den 17-jährigen afroamerikanischen Highschool-Schüler Trayvon Martin (* 5. Februar 1995) erschoss. Als Begründung gab Zimmerman Notwehr an. Dieser Todesfall und seine Umstände lösten in den Vereinigten Staaten eine landesweite Rassismusdiskussion aus, die auch in anderen Ländern rezipiert wurde. Zimmerman wurde des Mordes mit bedingtem Vorsatz (second degree murder) angeklagt. Der Prozess begann am 10. Juni 2013 in Sanford. Am 13. Juli 2013 wurde Zimmerman von einer sechsköpfigen Jury nach 16-stündiger Beratung für unschuldig (not guilty) befunden und freigesprochen.“, zitiert nach Wikipedia, URL-1.

[iii] „Die Tötung von George Floyd ereignete sich am 25. Mai 2020 in Minneapolis im US-Bundesstaat Minnesota: Der weiße Polizeibeamte Derek Chauvin tötete den am Boden liegenden 46-jährigen Afroamerikaner George Perry Floyd öffentlich, indem er neun Minuten und 29 Sekunden lang mit vollem Körpergewicht auf seinem Hals kniete und ihm trotz zahlreicher Bitten Floyds und umstehender Zeugen bis zu seinem Tod die Atemluft abdrückte. Drei weitere beteiligte Polizisten schritten nicht ein. Ein Zeugenvideo des Vorfalls sorgte weltweit für Aufsehen. Die vier an dem Einsatz beteiligten Polizeibeamten wurden nach Bekanntwerden des Videos entlassen und wegen des Verdachts auf ein Tötungsdelikt inhaftiert. Unmittelbar auf den Vorfall folgende großflächige Proteste infolge des Todes von George Floyd in den Vereinigten Staaten und weltweit richteten sich gegen Polizeigewalt und Rassismus und standen unter dem Motto ‚Black Lives Matter‘. […] Im April 2021 wurde der Hauptangeklagte Derek Chauvin der Körperverletzung mit Todesfolge und der fahrlässigen Tötung für schuldig befunden. Im Juni 2021 wurde er zu einer Freiheitsstrafe von 22,5 Jahren verurteilt. Er hat die Möglichkeit der Berufung. Der Prozess gegen die übrigen Angeklagten soll im März 2022 beginnen.“, zitiert nach Wikipedia, URL-2.

[iv] „Black Lives Matter (BLM, englisch für Schwarze Leben zählen) ist eine transnationale Bewegung, die in den Vereinigten Staaten entstanden ist und sich gegen Gewalt gegen Schwarze bzw. People of Color einsetzt. Black Lives Matter organisiert regelmäßig Proteste gegen die Tötung Schwarzer durch Polizeibeamte und zu anderen Problemen wie Racial Profiling, Polizeigewalt und Rassismus.“, zitiert nach Wikipedia, URL-3.

 

Filmografie

Candyman, 1992, Regie: Bernard Rose, USA (Deutscher Titel: Candymans Fluch)

Candyman, 2021, Regie: Nia DaCosta, USA, Kanada, Australien

Candyman: Day of the Dead, 1999, Regie: Turi Meyer, USA (Deutscher Titel: Candyman 3 – Tag der Toten)

Candyman: Farewell to the Flesh, 1995, Regie: Bill Condon, USA, Großbritannien (Deutscher Titel: Candyman 2 - Die Blutrache)

Literatur

Clive Barker: The Forbidden. In: Ders.: Books of Blood. Volume 4-6 (Second Omnibus). Erstveröffentlichung von Sphere Book Ltd. 1985. Neuauflage von Sphere 2007. London.

Links

Für die einzelnen URLs wurde kein Zugriffsdatum angegeben, da ihre Zugänglichkeit insgesamt im Oktober 2021 überprüft wurde.

URL-1: Todesfall Trayvon Martin [Art.] In: Wikipedia. Link: https://de.wikipedia.org/wiki/Todesfall_Trayvon_Martin.

URL-2: Tötung von George Floyd [Art.] In: Wikipedia. Link: https://de.wikipedia.org/wiki/T%C3%B6tung_von_George_Floyd.

URL-3: Black Lives Matter [Art.] In: Wikipedia. Link: https://de.wikipedia.org/wiki/Black_Lives_Matter.

 

Dieser Text ist Teil des Candyman-Themenspezials:

candyman spezial 8Nachbesprechung zu „Candyman“

Anlässlich der meisterhaften Neuadaption des Horrorkultklassikers Candymans Fluch (1992) besprechen wir Neuauflage, Originalfilm und die literarische Vorlage.

 

 

Infobox

„Candyman“

Regie: Nia DaCosta

Drehbuch: Jordan Peele, Win Rosenfeld, Nia DaCosta

Laufzeit: 91 Minuten

Produzent: Universal Pictures, Metro-Goldwyn-Mayer (MGM), BRON Studios, Monkeypaw Productions, Creative Wealth Media Finance

Verleih: Universal Pictures International

USA, Kanada, Australien | 2021

Veröffentlichung: Kinostart am 26. August 2021.

 

„Candymans Fluch“ (OT: Candyman)

Regie: Bernard Rose

Drehbuch: Bernard Rose

Literaturvorlage: Clive Barker (The Forbidden, 1985)

Laufzeit: 99 Minuten

Produzent: PolyGram Filmed Entertainment, Propaganda Films, Candyman Films

Verleih: Turbine Medien (seit 2020; Blu-Ray)

Bildrechte: Die Bilder dieses Artikels sind Ausschnitte aus dem besprochenen Medieninhalt. Deren Rechteinhaber können Sie dieser Infobox entnehmen.

Letzte Änderung amSamstag, 16 Oktober 2021 08:15
André Vollmer

Schriftsteller. Forscher. Phantast. Am Meer geboren. Gründer von Mellowdramatix.

Unter anderem auch das . . .

„Unbestreitbar führt das Internet auch zu positiven Veränderungen. Das Negative besteht meiner Meinung nach darin, dass das Internet zu Oberflächlichkeit verleitet, zu spontanen Reaktionen, hinter denen kein langes Nachdenken steckt: Ich habe etwas gelesen, und sofort twittere ich dagegen oder darüber, und dann womöglich auch noch in falscher Grammatik.“

 

Helmut Schmidt im Gespräch mit Giovanni di Lorenzo (2012) im Zeit Magazin Nr. 17 vom 19.04.2012, S. 57

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