log in

Film

Von Leben und Tod: „A Ghost Story“

Empfehlung Filmplakat (Ausschnitt) A24 Filmplakat (Ausschnitt)

Casey Affleck und Rooney Mara spielen die Hauptfiguren in David Lowerys künstlerischer Romanze. Der Film überschreitet offensichtlich die Grenze zur Phantastik.

Rezension

M (Rooney Mara) und C (Casey Affleck) leben zusammen. Ein Umzug deutet sich an, der eine weitere Veränderung in Ms Leben mit sich bringen wird. Das Leben der jungen Frau ist von wechselnden Wohnorten geprägt, deren Abschiede für sie immer eine Herausforderung darstellen, denn ein Teil von ihr wird an diesem Ort verweilen, selbst wenn sie nie mehr dorthin zurückkehren kann. Aus diesem Gefühl heraus hat M sich angewöhnt, in jeder Wohnung und in jedem Haus, das sie einmal bewohnt hat, einen Zettel mit einer Nachricht zu verstecken, den vermutlich niemals jemand finden wird. Auf diese Art, wird immer etwas von ihr an diesem Ort sein, der für eine gewisse Zeit prägenden Einfluss auf ihre Persönlichkeit hatte. C hingegen ist Musiker und liebt M so sehr, dass er für sie alles aufgeben würde, selbst das Haus, in dem die beiden aktuell leben und mit dem er eine spezielle Verbindung zu haben scheint. Die Beziehung der beiden wirkt auf den ersten Blick glücklich, doch A Ghost Story legt sehr früh die Vorstellungen von Hollywood ab, wie eine Beziehung zu wirken hat. Im Gegenteil: Hier gibt es Probleme und Meinungsverschiedenheiten, aber auch Momente purer Freude und Glücks.

A Ghost Story 01

A Ghost Story 03David Lowery nimmt sich sehr viel Zeit, um die Figuren vorzustellen, minutenlang wird auf die Szenen geschaut. Dadurch wird eine Metaebene der Präsentation geöffnet. Zuschauende haben viel Zeit, um die Sequenzen zu betrachten, Details zu entdecken, um aus dem Gezeigten Rückschlüsse zu ziehen. Das stört die Erwartungen an aktuelle Filme, denn es konfrontiert in jedem Fall die heutigen Sehgewohnheiten. So ruhig und langsam all das Gezeigte ist, so einfach und menschlich ist auch das Erzählte. C und M werden bald umziehen, aber sie werden zusammen sein und es schaffen weiterhin durchzukommen. Doch dann stirbt C bei einem Unfall – der ersten Sequenz, die wirklich laut ist. M ist am Boden zerstört, beschließt weiterhin in dem Haus zu leben, zumindest für eine Weile. Alles ist nun anders für sie.

A Ghost Story 02Auch Cs Geschichte endet nicht an dieser Stelle. Vielmehr wird er nun zum eindeutig identifizierbaren Protagonisten des Werkes. Allerdings wird er nun als Geist dargestellt. Eine Person mit einem weißen Laken über dem Körper und großen schwarzen Augen darauf. C kehrt in dieser Gestalt zurück in das Haus, in dem M noch immer lebt. Zunächst beobachtet er, dann muss er erkennen, dass seine Welt und jene, in der M existiert, nur räumlich dieselben Eigenschaften besitzen. C ist dazu verdammt zu betrachten, kann keinen Kontakt zu M herstellen, bis sie eines Tages einen Zettel in einer Fuge versteckt. Für die Zuschauer wie auch für C wird visuell verdeutlicht, dass M nun das Haus verlassen wird und nicht mehr zurückkehrt. So grausam diese Erkenntnis für den Geist ist, so groß ist die Hoffnung darauf, den Zettel zu lesen. Doch dieser ist so positioniert, dass der Geist, der keine richtigen Hände besitzt, nicht darankommen kann.

Regisseur Lowery nimmt uns auf eine lange, ruhige und tiefgründige Reise mit, die wenig von sich aus anbietet, aber dennoch reich an Inhalt ist. Die Thematik spiegelt das Zentrale des Lebens, in dem sie Liebe und Tod gegenüberstellt. Grade weil das Werk außergewöhnlich ist, gar einzigartig in seiner Art, kann nur schwer vorhergesehen werden, was als nächstes passieren wird. A Ghost Story richtet sich an ein Publikum, das bereit ist die Normen zu überwinden, selbstständig Gedanken zu entwickeln und eigene Schlüsse zu ziehen, indem über das Gezeigte reflektiert wird.

Zweifellos ist dieser Film in seiner Art extrem. Die großen Stars, mit denen der Film lockt, sind nur kurz auf der Leinwand zu bewundern, in dieser Zeit bieten sie jedoch eine beeindruckende Performanz. Von dem Dargebotenen in der Beziehung von C und M zehrt der gesamte Film, der irgendwann die Regeln von Zeit und Raum neu definiert und auf diese Art ein ganz spezielles Ende präsentiert, das, aller Tragik zum Trotz, an diesem Punkt glücklich wirkt.

Trailer zu A Ghost Story

Infokasten

„A Ghost Story“

Regie: David Lowery

Drehbuch: David Lowery

Produktion: Sailor Bear, Zero Trans Fat Productions, et. al.

Verleih: Universal Pictures Germany

Laufzeit: 92 Minuten (uncut)

USA | 2017

Kinostart: 07.12.2017

Läuft zurzeit in wenigen deutschen Kinos.

Letzte Änderung amMontag, 11 Februar 2019 18:25
Thomas Heuer

Dr. phil. Medienwissenschaft

Forscher, Fotograf, Filmemacher, Journalist, Gamer

Forschungsfelder: Immersionsmedien, Horror, vergleichende Mediendramaturgien, Game Studies, Medienethik und -philosophie

Abschlüsse: Medienwissenschaft M. A., Multimedia Production B. A., Facharbeiter Kommunikationselektronik

Unter anderem auch das . . .

„Die Normalsten sind die Kränkesten. Und die Kranken sind die Gesündesten. Das klingt geistreich oder vielleicht zugespitzt. Aber es ist mir ganz ernst damit, es ist nicht eine witzige Formel. Der Mensch, der krank ist, der zeigt, daß bei ihm gewisse menschliche Dinge noch nicht so unterdrückt sind, daß sie in Konflikt kommen mit den Mustern der Kultur und daß sie dadurch, durch diese Friktion, Symptome erzeugen. […] sehr viele Menschen, das heißt, die Normalen, sind so angepaßt, die haben so alles, was ihr eigen ist, verlassen, die sind so entfremdet, so instrumente-, so roboterhaft geworden, daß sie schon gar keinen Konflikt mehr empfinden.“

– Erich Fromm

Cookie-Einstellungen