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Film

„Candyman: Day of the Dead“ (1999) verbreitet gähnende Langeweile

Filmszene (Ausschnitt) Artisan Entertainment, Aurora Productions Filmszene (Ausschnitt)

Die zweite Fortsetzung des Horrorkultklassikers Candymans Fluch bietet Nacktheit und Blut, eine stumpfe Story mit Romanze sowie wenig talentiertes Schauspiel.

Rezension

Seit dem Tod ihrer Mutter plagt sich Caroline McKeever (Donna D'Errico) mit einem Familienfluch ab, der sie bis in ihre Träume verfolgt. Ihr Vorfahre Daniel Robitaille (Tony Todd) war der Sohn eines ehemaligen schwarzen Sklaven und erfolgreicher Maler. Für seine Liebe zu einer weißen Frau wurde er von einem Mob weißer Rassisten zu Tode gefoltert. Der Legende nach kehrt der Gepeinigte als mordender Rachegeist mit Hakenhand zurück – als Candyman –, wenn man seinen Namen fünfmal vor einem Spiegel sagt. Caroline findet wegen dieser Geschichte keine Ruhe. Sie wünscht, dass Robitaille wegen seiner Werke erinnert wird, nicht wegen dieser blutigen Folklore, und deshalb kauft sie sämtliche seiner Gemälde, um sie ausstellen zu lassen. Ihr Galerist Miguel Velasco (Mark Adair-Rios) trickst sie allerdings aus und macht ein reißerisches Event aus dem Ausstellungsabend. Vor den Augen aller Anwesenden drängt er Caroline dazu, die Beschwörungsformel aufzusagen, nichtsahnend, dass der Hakenhandkiller damit tatsächlich herbeigerufen wird.

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day of the dead 1Die Direct-To-Video-Produktion Candyman: Day of the Dead vereint einige gute Ansätze in sich, schafft es allerdings nicht, daraus mehr heraufzubeschwören als gähnende Langeweile. Das Schauspiel ist abgesehen von Tony Todd eine Zumutung, insbesondere von der Hauptdarstellerin Donna D'Errico, die nicht gerade zur Glaubwürdigkeit der Handlung beiträgt. Ihre Rolle beschränkt sich allerdings auch auf Kreischen, Betroffen dreinblicken und sexy ausschauen. Nicht nur alberne Jumpscares nerven, auch der mäßige Spannungsbogen, Erotikszenen und überflüssig viele nackte Brüste tragen zu wenig Ernsthaftigkeit bei. Hinzu kommen einige bizarre Auswüchse wie ein Kult aus Gothics, die dem Candyman und seinem düsteren Mythos huldigen.

day of the dead 7Aber wie gesagt: Gute Ansätze gibt es auch. Dazu gehört, dass jetzt auch Rassismus eine Rolle spielt. Angesichts der Hintergrundgeschichte des Candyman ist es wichtig, dieses Thema auch auf der Gegenwartsebene der Filmhandlung zu behandeln. Neben den Candyman zudem einen Bad Cop als weltlichen, nicht-übernatürlichen Antagonisten zu stellen, ist ebenfalls eine gelungene Neuerung. Auch das neue titelgebende Szenario –  der Tag der Toten, der gerade von der mexikanischen Community in Los Angeles gefeiert wird – hätte viel zur Stimmung und Symbolik beitragen können. Ebenso gut ist der Ansatz, nach zwei Filmen mehr von der menschlichen Seite des Hakenhandkillers zu zeigen, der erst durch einen grausamen Tod böse wurde. Leider bleibt das alles nur Stückwerk, bei dem ein Kill an den nächsten gereiht wird, allenfalls durch lose Handlung aneinandergeklebt, manches Mal auch nur durch weichgezeichnete Traumsequenzen. Insgesamt wirkt die Produktion mehr als billig. Das Kunstblut sieht wie Erdbeergrütze aus und die Effekte aus dem Computer sind nicht gut gealtert.

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Einzig interessant an Candyman: Day of the Dead ist – zumindest im Rahmen dieses Candyman-Spezials –, dass der Film wieder stärkere Bezüge zur literarischen Vorlage The Forbidden (1985) von Clive Barker aufmacht, auf welcher der erste Film, Candymans Fluch[i] (OT: Candyman, 1992), basierte und von der sich die erste Fortsetzung Candyman: Farewell to the Flesh (1995) gelöst hat. In Day of the Dead ist der dämonische Hakenhandkiller wieder ein Mythos, der davon lebt, dass die Menschen an ihn glauben – so wie in Candymans Fluch und The Forbidden. Mochte man Farewell to the Flesh, könnte einem allerdings missfallen, wie alles, was in dem Film erreicht wurde, durch Day of the Dead einfach weggewischt wird. Das macht der aktuelle Candyman von Nia DaCosta, Jordan Peele und Win Rosenfeld besser, denn dieser – auch wenn er eine eigene starke Message verfolgt – zeigt, dass er sich der Geschichte des Candyman-Erzählstoffes bewusst ist (mehr dazu in der Besprechung zu Candyman (2021)).

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Fazit: Abklatsch mit billigen Effekten

Candyman: Day of the Dead fällt hinter die Qualität der ersten beiden Candyman-Filme zurück, als deren Abklatsch in neu abgemischter Form er erscheint – plus Erotik und Nacktheit, die eher schäbig als anturnend wirken. So etwas kann nur dann unterhaltsam sein, wenn man nichts weiter als Blut, billige Effekte und kreischende halbbekleidete Frauen in einer mäßig zusammengeschusterten Handlung wünscht. Insgesamt stellt der Film nicht nur keine Bereicherung für das Horrorgenre insgesamt dar, sondern schadet diesem sogar noch durch die Art und Weise, wie hier ohne Sinn und Verstand Gewalt und Nacktheit inszeniert werden.

 

Endnoten

[i] Damit sich die Verfilmung von 1992 (Candyman) sprachlich leichter von der 2021er Adaption des Erzählstoffes (ebenfalls Candyman) unterscheiden lässt, verwende ich in dem Themenspezial, zu dem auch diese Rezension gehört, den deutschen Titel Candymans Fluch. Aus Gründen der Einheitlichkeit tue ich das auch in dieser Rezension, für die das Benennungsproblem nicht so relevant ist.

 

Dieser Text ist Teil des Candyman-Themenspezials:

candyman spezial 8Nachbesprechung zu „Candyman“

Anlässlich der meisterhaften Neuadaption des Horrorkultklassikers Candymans Fluch (1992) besprechen wir Neuauflage, Originalfilm und die literarische Vorlage.

 

 

Infokasten

„Candyman: Day of the Dead“ (Dt. Titel: Candyman 3 – Der Tag der Toten)

Regie: Turi Meyer

Drehbuch: Alfredo Septién, Turi Meyer

Laufzeit: 93 Minuten

Produzent: Artisan Entertainment, Aurora Productions

Verleih: NSM Records (2018, DVD & Blu-ray), Kinowelt Home Entertainment (2008, DVD) VCL Video (1999, VHS)

USA | 1999

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Letzte Änderung amSamstag, 16 Oktober 2021 08:15
André Vollmer

Schriftsteller. Forscher. Phantast. Am Meer geboren. Gründer von Mellowdramatix.

Unter anderem auch das . . .

„Die Normalsten sind die Kränkesten. Und die Kranken sind die Gesündesten. Das klingt geistreich oder vielleicht zugespitzt. Aber es ist mir ganz ernst damit, es ist nicht eine witzige Formel. Der Mensch, der krank ist, der zeigt, daß bei ihm gewisse menschliche Dinge noch nicht so unterdrückt sind, daß sie in Konflikt kommen mit den Mustern der Kultur und daß sie dadurch, durch diese Friktion, Symptome erzeugen. […] sehr viele Menschen, das heißt, die Normalen, sind so angepaßt, die haben so alles, was ihr eigen ist, verlassen, die sind so entfremdet, so instrumente-, so roboterhaft geworden, daß sie schon gar keinen Konflikt mehr empfinden.“

– Erich Fromm

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