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Gaming

„Cuphead“ bringt Jump’n’Gun-Spieler an die Grenzen

Werbematerial Studio MDHR Werbematerial

„This is for the Gamers“ könnte man sagen, denn Cuphead richtet sich an erfahrene Spieler mit einer hohen Frusttoleranz. Ein einzigartiges Spiel für Xbox One.

Rezension mit Angespielt-Video

Cup 1In Jump’n‘ Runs oder auch Jump’n’Guns gilt es eigentlich, immer seine Fertigkeiten in einem Level unter Beweis zu stellen und am Ende eines Abschnittes einen Boss zu besiegen. Cuphead geht da einen anderen Weg. Die meisten Level bestehen aus einem einzigen Boss. Jeder davon hat mehrere Phasen und muss entsprechend kennengelernt werden. Dadurch ist das Spiel sehr abwechslungsreich, abgesehen von einem wiederkehrenden Element: Regelmäßiges Sterben. Da die beiden Hauptfiguren Cuphead und sein Bruder Mugman beim Glücksspiel ihre Seelen an den Teufel verloren haben, müssen sie nun im Auftrag des Teufels die Seelen all jener einsammeln, die sich ihrem Schicksal bisher versucht haben zu entziehen.

Das allein ist eigentlich schon ziemlich gelungen, doch die Optik setzt dem Spiel die Krone auf. Es ist gestaltet wie ein Zeichentrickfilm aus den 1930ern, was es in dieser Form noch nie gab. Die Spielmusik könnte ebenfalls aus dieser Zeit entsprungen sein und ist sehr jazzig. Gelungen ist auch das Bildrauschen, welches über den Ladesequenzen und dem eigentlichen Spielen gleichermaßen eingeblendet wird, was den Retrolook komplettiert. Nur wegen der Optik, des Stils und des extrem schweren Ansatzes kann Cuphead als ein Geschenk für alle Gamer gewertet werden, denn dieses Spiel verdeutlicht: Videospiele sind Kunst. Wer das bisher nicht erkennen wollte, wird nicht umhinkommen, Cuphead ebenfalls zu kritisieren. Dann könnte ins Feld geführt werden, dass es lediglich die Animationsstile von älteren amerikanischen Zeichentrickepisoden á la Mickey Mouse kopiere, oder das es im Grunde nur ein simpler Shooter sei, bei dem gierige Figuren einen Deal mit dem Teufel machen, um sich selbst zu retten, aber das greift alles zu kurz. Die Handlung orientiert sich an Konflikten damaliger Animationsclips – die waren weder extrem komplex, noch sehr reflektiert. Das Spieldesign ist zudem weitaus komplexer, als man es erwarten würde, denn jeder Level benötigt eine unterschiedliche Strategie. Weitere Waffen und Techniken müssen erst freigespielt werden, es gibt keinen einfachen Weg durch das Spiel, nur die gesammelten Seelen zählen. Eine makellose Transformation einer Werkästhetik, die eine ganze Epoche des Animationsfilms geprägt hat, in ein neues Medium, das nur die Stärken von altem und neuem Medium zu nutzen weiß, ist selten. Hier ist dieses Kunststück gelungen und am Ende steht ein einmaliges Werk. Die Animationen sind übrigens gezeichnet, was die lange Entwicklungszeit rechtfertigt und die Hintergründe sind gemalte Bilder – es ist somit so erstellt worden, wie auf einem Rotoscope gearbeitet wird. Hierbei wird der Hintergrund auf einem Transparent eingefügt und die animierten Figuren schrittweise darüber gezeichnet. Das Ganze ist auf einer Glasplatte, die von unten beleuchtet und von oben abfotografiert werden kann. So werden klassische Zeichentrickfilme animiert.

Cup 3

Cup 2Vom gefühlten Schwierigkeitsgrad und auch vom eigentlichen Spielen her ist Cuphead extrem anspruchsvoll. Das ist auch gut so. Nur so hat man die Möglichkeit, das Spiel in allen Einzelheiten zu genießen. Zudem vermittelt das Wiederholen der Level – oder Episoden, wenn man so will – auch das Gefühl, dass es möglich ist, das Spiel zu bewältigen. Die Bosse verlangen höchste Konzentration, aber jedes bisher gespielte Level ist fair. Das bedeutet, es gibt immer einen Weg. Die Strategie muss nur zunächst erkannt werden. Darin liegt viel Spielspaß, der besonders in Zeiten von Darksouls im Mainstream viele Spieler finden dürfte. Bei Cuphead gehört Scheitern zum Schaffen. Dadurch fühlt sich jeder geschaffte Level wie ein Erfolg an, etwas, das ich seit meiner Kindheit nicht mehr in einem Jump’n’Run erlebt habe. Die Lernkurve ist brutal, aber wenn man einen Gegner verstanden hat, dann ist es nur noch eine Frage der Zeit, bis dieser ausgeknockt ist – um im Spielterminus zu bleiben.

Zur Veröffentlichung steht Cuphead nur in Englisch zur Verfügung, obwohl es in der Produktbeschreibung anders vermittelt wird. Das Update zu den Sprachen soll in Kürze folgen, dies bleibt allerdings ein Wermutstropfen bei dem sonst so großartigen Spiel. Für mich ist dieser Aspekt zwar nicht relevant, ich kenne jedoch auch Spielende, die gern in Deutsch spielen oder dem Englischen nicht mächtig sind – das Spiel ist durchaus für Kinder geeignet – und daher nicht verstehen, was eigentlich grade passiert und worum es geht. Das hat mich als Kind zwar auch nicht davon abgehalten die Schildkröten in Super Mario platt zu machen, aber es ist schon schöner, wenn man versteht, was man da spielt.

Wer bereit ist, 20 Euro für dieses Spiel zu investieren, bekommt ein spielbares Kunstwerk, das mit extremer Liebe zum Detail gestaltet wurde. Der lokale Multiplayer macht viel Spaß und reduziert den Schwierigkeitsgrad ein wenig, allerdings nur dann, wenn die Spielenden ein gutes Team bilden. Für mich neben Slime Rancher das beste Spiel des Jahres bisher, allein wegen seines innovativen Designs und eines makellosen Spielvergnügens – wenn man Herausforderungen zu schätzen weiß.

Angespielt auf Mellowdramatix.de Cuphead

Trailer Cuphead

Infokaten

„Cuphead“

Designer: Jared Moldenhauer

Entwickler: Studio MDHR

Publisher: Studio MDHR

Engine: Unity

Plattformen: Xbox One, Windows

USA | 2017

Ab 29.09.2017 im Handel.

Letzte Änderung amMittwoch, 08 Mai 2019 17:18
Thomas Heuer

Dr. phil. Medienwissenschaft

Forscher, Fotograf, Filmemacher, Journalist, Gamer

Forschungsfelder: Immersionsmedien, Horror, vergleichende Mediendramaturgien, Game Studies, Medienethik und -philosophie

Abschlüsse: Medienwissenschaft M. A., Multimedia Production B. A., Facharbeiter Kommunikationselektronik

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„Unbestreitbar führt das Internet auch zu positiven Veränderungen. Das Negative besteht meiner Meinung nach darin, dass das Internet zu Oberflächlichkeit verleitet, zu spontanen Reaktionen, hinter denen kein langes Nachdenken steckt: Ich habe etwas gelesen, und sofort twittere ich dagegen oder darüber, und dann womöglich auch noch in falscher Grammatik.“

 

Helmut Schmidt im Gespräch mit Giovanni di Lorenzo (2012) im Zeit Magazin Nr. 17 vom 19.04.2012, S. 57

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