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Pen & Paper

„A Nightmare at Hill Manor“ von White Wolf

Gratis-Einstiegsgeschichte für World of Darkness von White Wolf. Eine spannende Erzählung über Geister, die einen Abend gut auszufüllen weiß.

Das Abenteuerbuch A Nightmare at Hill Manor bietet einen gelungenen Einstieg in das Tischrollenspiel World of Darkness (new WoD), weil es zum einen eine gut funktionierende Geistergeschichte für bis zu vier Spieler plus einen Spielleiter bietet und zum anderen eine Kurzfassung des Regelwerks beinhaltet, die umfangreich genug ist, um anschließend mit eigenen Geschichten weiterzuspielen. Da das Buch schon älter ist, finden die jüngsten Regelupdates aus The God-Machine Chronicle keine Anwendung. Das macht nichts für das mitgelieferte Spielszenario sowie die vielleicht nachfolgenden Eigenkreationen. Die Aktualisierungen sind ohnehin keine Notwendigkeit, weil sie das System teils nur verfeinern, teils auch neudenken, die Regeln aber zuvor schon gut funktioniert haben.

Entsprechend macht das Abenteuer den kleineren Teil des Lesestoffs aus. Es ist für das, was es erreichen will, trotzdem erstaunlich gut ausgearbeitet und liefert in der typischen Manier von White Wolf gleich mehrere Ansätze für den Spielleiter, die Geschichte nach seinen Vorstellungen zu variieren. Zudem bleibt in der konkreten Ausgestaltung des Abenteuers Raum für eigene Kreativität, was ich als Plus werte, allerdings auch ein wenig mehr Arbeit bedeutet. Das Ausmaß des Eigenanteils bei den Vorbereitungen lässt sich jedoch gut steuern, je nachdem, wie groß man das Szenario anlegt.

Der Abenteuerverlauf als Roman gelesen oder verfilmt, würde ein wenig trashig anmuten, macht sich dennoch gut als Rollenspielgeschichte, die im Allgemeinen ja etwas anderen erzählerischen Regeln folgt, vor allem Spaß machen soll und daher oft simpler gehalten ist als etwa ein guter Film. Dafür gestalten sich die Hintergrundgeschichten der vier mitgelieferten Spielcharaktere komplexer, als es das Abenteuer zunächst erwarten lässt und geben einen Eindruck davon, wie Charaktere in der World of Darkness nach Meinung der Autoren beschaffen sein sollten. Sie sind keine unbeschriebenen Blätter mehr, ebenso wenig lieblose Lebensläufe oder generische Horrorprotagonisten. In unserer Spielrunde gelang es nicht, das Potenzial dieser Hintergründe auszuschöpfen. Dafür hielten uns die Gefahren der erzählten Geschichte zu sehr auf Trab. Die Qualität der Hintergründe lädt dazu ein, mit den Charakteren weiterzuspielen.

Keineswegs trashig wirkt dagegen die Hintergrundgeschichte des Gruselszenarios, die durchaus auch für den Spielleiter den einen oder anderen Schrecken nur andeutet. Derart inspirierte mich das Abenteuer, es über einen zweiten Zugang nochmals zu verwenden. Ich legte den Plot im Handlungsort einer anderen WoD-Kampagne an, sodass dieselben Spieler mit anderen Charakteren ebenfalls auf die Geschichte stoßen würden. Natürlich ist sie beim zweiten Mal schon passiert und dient schlicht als paranormale Begebenheit, die es näher zu untersuchen gilt, da die Hintergrundgeschichte im eigentlichen Abenteuer nur in Teilen erzählt werden soll, um das Geheimnisvolle und Undurchsichtige der World of Darkness aufrechtzuerhalten. Da der Hintergrund wirklich ansprechend ist, glaube ich nicht, dass Langeweile aufkommen wird, sobald die neuen Charaktere, die nicht mehr unbescholten sind und anders an die Sache herangehen, fix auf denselben Stand der Dinge gebracht worden sind.

Wer nur mal in das Rollenspiel hineinschnuppern will oder ein paranormales Geschehen für weitere Investigationen in einer Kampagne braucht, etwa für Vampire: The Requiem oder Hunter: The Vigil, dem empfehle ich die kostenlose PDF-Version. Ansonsten ist die günstige Druckversion mit Softcover ein guter Start für jeden, der gern mal Geistergeschichten spielen will.

 

Inspiration für Geistergeschichten lässt sich gut aus Horrorfilmen gewinnen, etwa aus...

„The Innkeepers“ von Ti West

„The Canal“ von Ivan Kavanagh

„Suburban Gothic“ von Richard Bates Jr.

„Out of the Dark“ von Lluís Quílez

„The Complex" von Hideo Nakata

„Housebound“ von Gerard Johnstone

Letzte Änderung amFreitag, 18 August 2017 18:02
André Vollmer

Schriftsteller. Forscher. Phantast. Am Meer geboren. Gründer von Mellowdramatix.

Unter anderem auch das . . .

„Die Normalsten sind die Kränkesten. Und die Kranken sind die Gesündesten. Das klingt geistreich oder vielleicht zugespitzt. Aber es ist mir ganz ernst damit, es ist nicht eine witzige Formel. Der Mensch, der krank ist, der zeigt, daß bei ihm gewisse menschliche Dinge noch nicht so unterdrückt sind, daß sie in Konflikt kommen mit den Mustern der Kultur und daß sie dadurch, durch diese Friktion, Symptome erzeugen. […] sehr viele Menschen, das heißt, die Normalen, sind so angepaßt, die haben so alles, was ihr eigen ist, verlassen, die sind so entfremdet, so instrumente-, so roboterhaft geworden, daß sie schon gar keinen Konflikt mehr empfinden.“

– Erich Fromm

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